Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 828
Nach der Neuregelung in § 38 Abs. 3 GmbHG hat ein Geschäftsführer, der einem mindestens zweiköpfigen Geschäftsführungsorgan angehört, nicht aber ein Alleingeschäftsführer, das Recht, von dem jeweiligen Bestellungsorgan der Gesellschaft die Einräumung einer temporären Auszeit von seiner Organstellung durch den Widerruf seiner Bestellung als Geschäftsführer für einen befristeten Zeitraum zu verlangen, wenn er wegen Mutterschutzes, Elternzeit, Pflege eines Familienangehörigen oder wegen Krankheit seinen mit der Organstellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann. Da der Anspruch auf Gewährung einer temporären Auszeit das Vorhandensein von mindestens zwei Geschäftsführern voraussetzt, läuft er leer, wenn in der Gesellschaft zum Zeitpunkt der begehrten vorübergehenden Abberufung diese Voraussetzung nicht vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft einen bislang vorhandenen zweiten Geschäftsführer im zeitlichen Zusammenhang mit einer entsprechenden Geltendmachung abberufen hat. Erfolgt die Abberufung allerdings allein mit dem Ziel, den Anspruch auf eine temporäre Auszeit zu verhindern, kann dies rechtsmissbräuchlich sein. Das Recht des Geschäftsführers knüpft an die arbeitsrechtlichen Tatbestände des Mutterschutzes während der mutterschutzrechtlichen Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG, der Elternzeit nach § 15 BEG, der Pflegezeit für pflegebedürftige Angehörige nach den §§ 3 und 4 PflegeZG und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1 EFZG an. Daraus folgt, dass in der Person des Geschäftsführers die in den jeweiligen arbeitsrechtlichen Gesetzen geforderten Anknüpfungssachverhalte vorliegen müssen, also die Schwangerschaft bzw. Mutterschaft, die Stellung als Eltern oder die Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen, bei denen es sich über den Gesetzeswortlaut hinaus um nahe Angehörige handeln muss. Für den Fall der Krankheit muss – anders als in den drei anderen Fallkonstellationen – hinzukommen, dass die Krankheit des Geschäftsführers zur Folge hat, dass dieser seine aus der Organstellung als Geschäftsführer folgenden Pflichten gerade wegen der Krankheit nicht mehr ausführen kann.
§ 38 Abs. 3 GmbHG verschafft dem Geschäftsführer bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen bindenden Anspruch auf Widerruf der Bestellung als Organ der Gesellschaft. Wird der Anspruch auf eine bevorstehende Mutterschaft oder gerade erfolgte Entbindung gestützt, umfasst der Anspruch nach § 38 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GmbHG den Zeitraum der vor- und nachgeburtlichen Schutzfristen des § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG. Der Anspruch ist in diesem Fall zwingend ausgestaltet und selbst dann zu erfüllen, wenn der Anspruchserfüllung ein wichtiger Grund entgegenstehen würde. In den anderen drei Fallkonstellationen ist der Anspruch gemäß § 38 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 GmbHG entsprechend dem Verlangen des Geschäftsführers auf einen Zeitraum von bis zu drei Monaten begrenzt; er kann von der Gesellschaft abgelehnt werden, wenn dem Widerruf der Bestellung ein wichtiger Grund entgegensteht. Auf entsprechendes Verlangen des Geschäftsführers kann in diesen drei Fallkonstellation die temporäre Auszeit bis zu zwölf Monate betragen. Ob die Gesellschaft die temporäre Auszeit über den Zeitraum von drei auf bis zu zwölf Monate verlängert, ist von dem zuständigen Gesellschaftsorgan nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Der Anspruch, der durchaus auch mehrfach geltend gemacht und hinsichtlich unterschiedlicher Gründe kumuliert werden kann, muss von dem Geschäftsführer gegenüber dem für die Bestellung zuständigen Gesellschaftsorgan so rechtzeitig vor dem gewünschten Widerrufszeitpunkt geltend gemacht werden, dass das für die Bestellung zuständige Gesellschaftsorgan die Widerrufsentscheidung noch vor dem Widerrufszeitpunkt in einer ordnungsgemäß geladenen Sitzung treffen kann. Eine besondere Form für die Geltendmachung durch den Geschäftsführer sieht das Gesetz nicht vor; allerdings empfiehlt sich aus Beweisgründen die Wahl der Schriftform.
Um den Zweck einer (nur) temporären Auszeit zu erreichen, ist die Gesellschaft – nicht unbedingt im gleichen Akt – verpflichtet, den Widerruf der Bestellung mit der verbindlichen Zusicherung zu verknüpfen, nach Ablauf der temporären Auszeit den Geschäftsführer wieder zum Geschäftsführer zu bestellen. Auch für die Zusicherung der Wiederbestellung durch die Gesellschaft ist im Gesetz keine Form vorgesehen. Zumindest dann, wenn man die entsprechende Zusicherung als abstraktes Schuldversprechen einordnen will, muss die Zusicherung nach § 780 S. 1 BGB die Schriftform einhalten, die unabhängig hiervon aus Beweisgründen auf jeden Fall zu empfehlen ist.
Der Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer führt während des Zeitraums der temporären Auszeit dazu, dass der Geschäftsführer von seinen organschaftlichen Verpflichtungen entbunden ist und damit die haftungsrechtliche Verantwortung für das Handeln der Geschäftsführung verliert. Bestehen...