Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 389
Arbeitgeber A leitet ein Softwareunternehmen mit 20 Arbeitnehmern. Es besteht weder ein Betriebsrat noch eine Tarifbindung. Wegen nachlassender Leistungen möchte sich A von seinem 61-jährigen Systemadministrator M trennen. Die freie Stelle will er künftig mit V besetzen, der im Unternehmen des A zum Fachinformatiker ausgebildet wird und kurz vor Abschluss seiner Ausbildung steht. Personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe gegenüber M bestehen nicht. Wegen drohender Rentenkürzungen ist M nicht an einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses interessiert. M kann sich jedoch aus familiären Gründen vorstellen, in die Altersteilzeit zu wechseln. A fragt sich, wie ein solcher Altersteilzeitvertrag aussehen könnte.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Einführung
Rz. 390
Altersteilzeit soll älteren Arbeitnehmern mittels eines Teilzeitarbeitsverhältnisses einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Hierzu bedarf es eines individuellen Änderungsvertrages, durch den der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit vermindert. Gesetzlich ist weder zugunsten des Arbeitnehmers noch des Arbeitgebers ein einseitiger Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages vorgesehen. Gleichwohl kann ein solcher Anspruch dem Arbeitnehmer durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder (eher untypisch) individualvertraglich eingeräumt werden.
Rz. 391
Grundlage von Altersteilzeitmodellen ist das Altersteilzeitgesetz (ATG). Dieses regelt insbesondere, unter welchen Umständen der Arbeitgeber bei der Vereinbarung einer Altersteilzeitregelung Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) erhalten kann. Allerdings waren diese Zuschüsse auf Altersteilzeitvereinbarungen begrenzt, die bis zum 31.12.2009 abgeschlossen worden sind. Nach dem ATG ist eine Vereinbarung über einen Gesamtzeitraum von maximal 10 Jahren möglich. In der Praxis wird dies jedoch kaum genutzt, da – auch unabhängig von den abgelaufenen Förderleistungen – regelmäßig eine schnellere Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewünscht ist.
Rz. 392
Das ATG ist grds. aus sich selbst heraus anwendbar, ohne dass es einer tarifvertraglichen Umsetzung bedarf. Dennoch kommt Tarifverträgen eine erhebliche Bedeutung zu. Denn diese sehen häufig höhere als die gesetzlich vorgesehenen Aufstockungsbeträge vor. Höhere Aufstockungsbeträge können auch in Betriebsvereinbarungen vorgesehen werden, sofern § 77 Abs. 3 BetrVG nicht entgegensteht.
Rz. 393
Das Grundkonzept der Altersteilzeit beruht auf der Subventionierung von "Job-Sharing". Ein Arbeitgeber konnte bei Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung bis zum 31.12.2009 Zuschüsse der BA erhalten. Hierzu musste er gemeinsam mit einem Arbeitnehmer dessen Arbeitsverhältnis auf eine Altersteilzeitstelle mit 50 Prozent der bisherigen Arbeitszeit umstellen und zusätzlich aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeit einen arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung (in Unternehmen mit nicht mehr als 50 Arbeitnehmern wahlweise auch einen Auszubildenden) auf dem freigemachten Arbeitsplatz versicherungspflichtig beschäftigen. Die Vereinbarung von Altersteilzeit ist auch ohne Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes möglich; sie rechnet sich mangels Leistungen der BA für Arbeitgeber in solchen Fällen aber eher selten.
Rz. 394
Das ATG unterscheidet zwischen zwei Modellen der Altersteilzeit: Dem so genannten Kontinuitätsmodell, das auch als Teilzeitmodell bezeichnet wird und dem Blockmodell.
Das klassische Modell war ursprünglich als gesetzlicher Regelfall vorgesehen. Dieses Modell sieht die kontinuierliche und gleichmäßige Reduzierung der Arbeitszeit über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit vor. Das klassische Modell konnte sich allerdings in der Praxis kaum durchsetzen.
In aller Regel wird heutzutage die Reduzierung der Arbeitszeit im so genannten Blockmodell vollzogen. Dieses sieht zunächst eine Phase der Vollarbeit auf Basis der Arbeitszeit vor Beginn der Altersteilzeit (Arbeitsphase) und anschließend eine Phase der vollständigen Freistellung (Freistellungsphase) vor. Diese vom klassischen Modell abweichende Verteilung der Arbeitszeit ist unter den in §§ 2, 3 ATG genannten Voraussetzungen möglich, wenn im Gesamtdurchschnitt der Altersteilzeit die Halbierung der Arbeitszeit erreicht wird.
Rz. 395
Das Blockmodell ist grds. auf eine Länge von bis zu drei Jahren ausgerichtet, bei der die Arbeitsphase folglich maximal 1,5 Jahre beträgt. Allerdings gestattet § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ATG die Verlängerung des Ausgleichszeitraums auf bis zu sechs Jahre, wenn dies tarifvertraglich, durch tariflich zugelassene Betriebsvereinbarung oder eine Regelung der Kirchen bzw. der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften vorgesehen ist. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber können in Regelungen zur Altersteilzeit die ansonsten tariflichen Regelungen für bis zu sechsjährige Ausgleichszeiträume durch Betriebsvereinbarung, oder wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung ...