Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
1. Grundlagen
a) Begriff des dualen Studiengangs
Rz. 480
Unter einem dualen Studiengang im engeren Sinne versteht man einen Bachelorstudiengang im ersten Bildungsweg, der regelmäßige Praxisphasen in einem bestimmten Unternehmen in seine Studienordnung fest integriert. Anders als in herkömmlichen Studiengängen treten die Hochschule und bestimmte Unternehmen auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Kooperationsvertrags offiziell als Kooperationspartner auf und stimmen das Bildungskonzept wechselseitig aufeinander ab. Während das Verhältnis des Studierenden zur Hochschule i.d.R. ab der Immatrikulation öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist, bindet sich der Studierende im Verhältnis zum Unternehmen während der Dauer des gesamten Studiums über einen privatrechtlichen Durchführungsvertrag.
Duale Studiengänge kombinieren aus Sicht der Studierenden das Ausbildungsniveau eines Fachhochschulstudiums mit der praxisnahen Arbeit und der klaren Übernahmeperspektive in einem Unternehmen. Für die Unternehmen steht typischerweise das Interesse im Vordergrund, potentielle Nachwuchskräfte durch ein attraktives Qualifizierungsangebot frühzeitig an sich zu binden. Die Übernahme erfolgreicher Absolventen ist in den meisten dualen Studiengängen der Regelfall.
2016 waren bei stark wachsender Tendenz bundesweit über 100.000 Studierende in dualen Studiengängen für die Erstausbildung eingeschrieben. 2011 lag die Zahl noch bei knapp 60.000.
Rz. 481
Daneben wird der Begriff des dualen Studiums auch für berufsintegrierende und berufsbegleitende Studiengänge verwendet. Diese dienen in der Regel der beruflichen Weiterbildung und zählen aufgrund der fehlenden inhaltlichen Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung nicht zu den dualen Studiengängen im engeren Sinne. Teilnehmer ausbildungsbegleitender Studiengänge absolvieren parallel zu einem Vollzeitstudium eine Berufsausbildung. Auch hier bestehen keine institutionell-strukturellen oder inhaltlichen Verzahnungselemente. Gleiches gilt für praxisbegleitende Studiengänge, die sich durch einen großen Umfang an Praxisanteilen auszeichnen. Diese Modelle werden an dieser Stelle zur Abgrenzung erwähnt und in der weiteren Darstellung nicht vertieft.
b) Rechtsnatur des Durchführungsvertrags
Rz. 482
Unter den im ersten Bildungsweg durchgeführten dualen Studiengängen im engeren Sinne ist zwischen dem sog. ausbildungsintegrierenden dualen Studium, das eine auf einen IHK/HWK-Abschluss zielende Berufsausbildung mit einem Bachelorstudiengang kombiniert, und dem hier im Vordergrund stehenden praxisintegrierenden dualen Studium zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist für die rechtliche Einordnung zentral, da beim ausbildungsintegrierenden dualen Studium für den – meist vorgelagerten – Ausbildungsteil uneingeschränkt das BBiG gilt. In Bezug auf den daran anschließenden, auf das Studium bezogenen Teil ist das BBiG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht anwendbar. Auf das praxisintegrierende duale Studium, in dem allein ein Fachhochschulabschluss erworben wird, wird das BBiG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG hingegen in keiner Studienphase, also generell nicht angewendet. Zur Regelung des ausbildungsintegrierenden dualen Studiums bietet sich eine gestufte Vertragsgestaltung an. Während für den Ausbildungsteil (erste Stufe) auf die Darstellung zum Ausbildungsverhältnis zu verweisen ist, kann für den Studienteil (zweite Stufe) ein Durchführungsvertrag entsprechend dem nachfolgenden Muster vereinbart werden.
Rz. 483
Sozialversicherungsrechtlich hat die Unterscheidung von Ausbildung und dualem Studium keine Bedeutung mehr. Nach § 5 Abs. 4a S. 2 SGB V stehen Teilnehmer an dualen Studiengängen den Beschäftigten zur Berufsausbildung seit dem 1.1.2012 gleich und unterliegen daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Sozialversicherungspflicht. Im Gegensatz zu anderen Studierenden sind sie nicht mehr nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V von der Versicherungspflicht befreit.
Rz. 484
Es ist stets problematisch, ob der Durchführungsvertrag für das duale Studium als Arbeitsvertrag oder als Vertrag sui generis einzuordnen ist. Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass diese Frage anhand des Abgrenzungskriteriums entschieden werden muss, ob die Erbringung von Arbeitsleistungen oder der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Fraglich ist aber, ob diese Formel eher streng oder großzügig zu handhaben ist und somit der typische Regelfall eines praxisintegrierten Dualstudiengangs mit weisungs...