Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
1. Ausgangssituation
Rz. 766
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, für einen anderen tätig zu werden. Dabei steht auf der einen Seite das klassische Arbeitsverhältnis als Form der abhängigen Beschäftigung und auf der anderen Seite das Dienstverhältnis als Form einer selbstständigen Beschäftigung. Möglich ist dabei auch ein drittbezogener Personaleinsatz im Wege der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem zwischen Verleihunternehmen und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsvertrag besteht und der Leiharbeitnehmer beim Entleiher weisungsabhängig wie ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Der Werkvertrag als Form der selbstständigen Tätigkeit für ein Unternehmen ist wegen seiner Erfolgsbezogenheit im Dienstleistungsbereich als rechtlich zulässiges Gestaltungsmittel kaum relevant, wenn auch immer mal wieder als "passende" Rechtsform propagiert. Welche Form des Personaleinsatzes vom Unternehmen gewählt wird, hängt nicht nur von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab, sondern auch von personalpolitischen Entscheidungen: Welche Aufgaben will das Unternehmen mit "eigenen" Mitarbeitern – also Arbeitnehmern – erbringen und für welche Aufgaben will das Unternehmen auf "Externe" – also Dienstleister zurückgreifen? Die Personalkosten spielen bei diesen Entscheidungen zwar auch eine Rolle. Interessanter ist aber eher die vorausschauende Folgenabwägung anhand der unterschiedlichen Schutzniveaus der abhängig Beschäftigten und der Selbstständigen. Dabei sind die Gestaltungsspielräume je nach Einsatzgebiet des Mitarbeiters limitiert. Wird die Tätigkeit üblicherweise weisungsabhängig, fremdbestimmt erbracht, etwa im gewerblichen Bereich, ist ein "Ausweichen" auf eine selbstständige Tätigkeit kaum möglich. Fehleinschätzungen können gerade im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung zu einer enormen Kostenbelastung durch Nachzahlungen führen.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Begriffsbestimmung und Rechtsgrundlagen
Rz. 767
Die Basis ist der Vertrag. Er legt die Bedingungen der Zusammenarbeit fest. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder als "freies" Dienstverhältnis ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses. Auf die Bezeichnung der Vereinbarung als "Arbeitsvertrag", "Dienstvertrag" oder "Vertrag über freie Mitarbeit" kommt es also nicht an. Für den Arbeitsvertrag ist dies in § 611a Abs. 1 S. 6 BGB klargestellt. Dies gilt aber nur dann, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht gewollt haben, denn die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Haben die Parteien dagegen ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es in aller Regel auch als solches einzuordnen. Die Parteien können autonom den Schutz des Vertragspartners erhöhen, etwa indem sie ihn in den Geltungsbereich arbeitsrechtlicher Normen einbeziehen. Es ist also möglich und zulässig, einen Dienstvertrag als Arbeitsvertrag abzuschließen. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis ist allerdings dem Parteiwillen entzogen. Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und freiwillige Versicherung beurteilen sich allein nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Die im Einzelfall vorzunehmende Einordnung des Vertragsverhältnisses erfolgt primär anhand des Merkmals der persönlichen Abhängigkeit.
aa) Arbeitnehmer und Selbstständige
Rz. 768
Der Gesetzgeber hatte viele Jahre den Begriff des "Arbeitnehmers" nicht definiert. Nach dem Verständnis von Rechtsprechung und Literatur war Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Diese Grundsätze finden sich seit dem 1.4.2017 in § 611a BGB. Dieser regelt zwar den Arbeitsvertrag bzw. das Arbeitsverhältnis, damit mittelbar aber auch den Arbeitnehmerbegriff. Die bisherigen Kriterien für die Definition des Arbeitnehmers sind damit Gesetz geworden. Inhaltlich hat sich nichts geändert.
Rz. 769
Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist hingegen für die Beurteilung des Status regelmäßig nicht von Bedeutung. Ob eine persönliche Abhängigkeit und damit ein Arbeitsverhältnis besteht, beurteilt sich anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände (§ 611a Abs. 1 S. 5 BGB). Besonderes Gewicht hat das Weisungsrecht des Dienstberechtigten. Das Wei...