Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 32
Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist zunächst, dass der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes substantiiert dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen werden kann. Der Fortfall des Arbeitsplatzes kann durch außerbetriebliche Ursachen, wie z.B. Auftragsrückgang begründet sein. Dabei muss im Einzelnen dargelegt werden, dass das Beschäftigungsvolumen dauerhaft und in welchem Umfang es zurückgegangen ist und dass hierdurch eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen endgültig entfällt.
Rz. 33
In der Praxis ist es i.d.R. empfehlenswert, den Arbeitsplatzfortfall mit innerbetrieblichen Umständen, nämlich einer Unternehmerentscheidung zu begründen. Auf deren gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Sie kann z.B. in der unternehmerischen Entscheidung bestehen, einen Betrieb stillzulegen. Diese Entscheidung rechtfertigt die betriebsbedingte Kündigung der in diesem Betrieb beschäftigten Mitarbeiter, wenn ihre Umsetzung zum Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hat und damit zu rechnen ist, dass bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen der Betrieb stillgelegt ist und die Arbeitnehmer somit nicht mehr beschäftigt werden können. Gegen eine endgültige Stilllegungsabsicht spricht es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes/eines Betriebsteils steht oder sich noch um neue Aufträge bemüht. Unschädlich ist jedoch eine sich später ergebende Betriebsveräußerung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Stilllegung des Betriebes endgültig geplant und eingeleitet war. Eine solche im Kündigungszeitpunkt nicht absehbare Veränderung der betrieblichen Verhältnisse kann allenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch begründen. Die Entscheidung über eine Betriebsschließung muss im Übrigen nicht zu einem bestimmten Stichtag erfolgen, sondern kann nach der unternehmerischen Entscheidung auch in einem Entschluss der "schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft" bestehen.
Rz. 34
Ein weiteres Beispiel für eine die Arbeitsgerichte bindende Organisationsentscheidung bildet das unternehmerische Konzept, Arbeitsbereiche produktivitätssteigernd umzugestalten. Es gehört zum Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers, das Arbeitsvolumen festzulegen, sowie die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen diese Arbeitsmenge bewältigt werden soll.
Rz. 35
Als zulässige Organisationsentscheidung ist auch die unternehmerische Entscheidung anzusehen, eigene Arbeitnehmer zu entlassen, um sie durch freie Mitarbeiter zu ersetzen. Auch die Entscheidung, abgrenzbare Tätigkeiten zukünftig extern durchführen zu lassen, zählt zu den innerbetrieblichen Kündigungsgründen.
Rz. 36
Die danach zulässige Kündigung ist von der unzulässigen Austauschkündigung abzugrenzen.
Je näher die unternehmerische Entscheidung inhaltlich an den Kündigungsentschluss heranrückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass und in welchem Umfang sein Beschäftigungsbedarf entfallen ist und dass das verbleibende Arbeitsvolumen durch die weiterbeschäftigten Arbeitnehmer ohne überobligatorische Inanspruchnahme erledigt werden kann.
Rz. 37
Eine Änderung des Anforderungsprofils für einen bestehenden Arbeitsplatz kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber ein neues, von anderen Voraussetzungen ausgehendes unternehmerisches Konzept für seinen Betrieb entwickelt hat und dieses ein neues Anforderungsprofil für den konkreten Arbeitnehmer erfordert. Eine bloße Umwidmung der Stelle in eine Beförderungsstelle bei im Übrigen unveränderter Arbeitsaufgabe reicht insoweit nicht aus.
Rz. 38
Zulässig ist ebenfalls eine betriebsbedingte Kündigung des Betriebsveräußerers im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nach einem verbindlichen Konzept des Betriebserwerbers, wenn dieses bei Zugang der Kündigung zumindest greifbare Formen angenommen hat.
Rz. 39
Die Begründung der Kündigung mit einer gestalterischen Unternehmerentscheidung hat den Vorteil, dass sie durch die Arbeitsgerichte im Grundsatz nur eingeschränkt überprüfbar ist, nämlich darauf, ob sie tatsächlich vorliegt, nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist, und sich so auswirkt, dass für die weitere Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht. Das Gericht prüft also im Falle einer selbstbindenden Unternehmerentscheidung nicht, ob andere Maßnahmen besser geeignet oder z.B. rentabler wären. Es geht vielmehr um die Verhinderung von Missbrauch. Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen sollen ebenso verhindert werden wie Diskriminierung und Umgehungsfälle.
Rz. 40
Beispiel
Ein Arbeitnehmer kann nicht erfolgreich mit dem Hinweis gegen eine betriebsbedingte Kündigung vorgehen, die organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers würden sich "nicht rechnen". Ebenso wenig darf das Gericht prüfen, ob die mit der Unternehmer...