Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 473
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtmäßige Kündigung liegt i.d.R auch bei Zahlung einer Abfindung kein Auflösungssachverhalt i.S.d. § 159 SGB III und damit kein Sperrzeittatbestand vor. Auch die bloße Hinnahme einer arbeitgeberseitigen Kündigung rechtfertigt keine Sperrzeit – selbst wenn die Kündigung rechtswidrig ist. Hierzu hat das BSG im Jahr 2002 festgestellt, dass das Nichterheben einer Kündigungsschutzklage selbst dann keine "Lösung" des Beschäftigungsverhältnisses darstellt, wenn es sich um eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung handelt. Der Eintritt einer Sperrzeit knüpft lediglich an ein aktives Verhalten an, während die fehlende Bereitschaft, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Beschäftigungsverhältnis zu behaupten, den Eintritt einer Sperrzeit nicht rechtfertigt.
Aufgrund dieser gefestigten Rechtsprechung galt bislang der Abschluss eines so genannten Abwicklungsvertrages nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung als "Wunderwaffe" gegen die Verhängung einer Sperrzeit. Dabei beschränken sich die Parteien darauf, nach Ausspruch einer Kündigung lediglich die Folgen des beendeten Beschäftigungsverhältnisses zu regeln, indem (mindestens) der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und (meist) die Zahlung einer Abfindung vereinbart werden. Bislang wurde in diesen Fällen seitens der Agenturen für Arbeit lediglich dann eine Sperrzeit verhängt, wenn entweder bekannt wurde, dass die entsprechende Absprache bereits vor Ausspruch der Kündigung getroffen worden war oder die Rechtswidrigkeit der Kündigung offensichtlich war (wie z.B. bei der ordentlichen Kündigung eines unkündbaren Betriebsratsmitglieds oder bei Fehlen einer Betriebsratsanhörung).
Rz. 474
Das BSG hat mit Urt. v. 18.12.2003 klargestellt, dass der Arbeitnehmer im Grundsatz auch durch den Abschluss eines Abwicklungsvertrages, in dem er ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsschutzes verzichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leiste. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen werde. I.d.R. liege ein Auflösungstatbestand vor, so dass eine Sperrzeit eintrete. Sinn und Zweck der Sperrzeit sei, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe. Hierbei mache es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Arbeitnehmer an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages mitwirke oder ob seine aktive Beteiligung darin liege, dass er hinsichtlich des Bestands der Kündigung und deren Folgen verbindliche Vereinbarungen schließt. In beiden Fällen treffe ihn eine wesentliche Verantwortung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Der regelmäßige Ablauf einer Kündigung mit nachfolgender Abwicklungsvereinbarung bestehe darin, dass dem Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Kündigung eine entsprechende Vereinbarung in Aussicht gestellt werde. Letztlich sei es aber nicht entscheidungserheblich, ob eine entsprechende Erwartungshaltung explizit oder durch die bisherige Übung des Arbeitgebers geweckt werde, oder ob ein Abwicklungsvertrag ohne vorherige Absprache erstmals im Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung geschlossen wird.