Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 471
Die sperrzeitrechtlichen Auswirkungen eines so genannten Abwicklungsvertrages, in dem die Parteien sich darauf beschränkten, nach Ausspruch einer Kündigung lediglich die Folgen des beendeten Beschäftigungsverhältnisses zu regeln (in der Hauptsache Verzicht auf Kündigungsschutzklage und Zahlung einer Abfindung), waren lange Zeit umstritten.
aa) Grundsatz: Sperrzeit
Rz. 472
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtmäßige Kündigung liegt i.d.R auch bei Zahlung einer Abfindung kein Auflösungssachverhalt i.S.d. § 159 SGB III und damit kein Sperrzeittatbestand vor. Auch die bloße Hinnahme einer arbeitgeberseitigen Kündigung rechtfertigt keine Sperrzeit – selbst wenn die Kündigung rechtswidrig ist. Hierzu hat das BSG im Jahr 2002 festgestellt, dass das Nichterheben einer Kündigungsschutzklage selbst dann keine "Lösung" des Beschäftigungsverhältnisses darstellt, wenn es sich um eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung handelt. Der Eintritt einer Sperrzeit knüpft lediglich an ein aktives Verhalten an, während die fehlende Bereitschaft, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Beschäftigungsverhältnis zu behaupten, den Eintritt einer Sperrzeit nicht rechtfertigt.
Aufgrund dieser gefestigten Rechtsprechung galt bislang der Abschluss eines so genannten Abwicklungsvertrages nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung als "Wunderwaffe" gegen die Verhängung einer Sperrzeit. Dabei beschränken sich die Parteien darauf, nach Ausspruch einer Kündigung lediglich die Folgen des beendeten Beschäftigungsverhältnisses zu regeln, indem (mindestens) der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und (meist) die Zahlung einer Abfindung vereinbart werden. Bislang wurde in diesen Fällen seitens der Agenturen für Arbeit lediglich dann eine Sperrzeit verhängt, wenn entweder bekannt wurde, dass die entsprechende Absprache bereits vor Ausspruch der Kündigung getroffen worden war oder die Rechtswidrigkeit der Kündigung offensichtlich war (wie z.B. bei der ordentlichen Kündigung eines unkündbaren Betriebsratsmitglieds oder bei Fehlen einer Betriebsratsanhörung).
Rz. 473
Das BSG hat mit Urt. v. 18.12.2003 klargestellt, dass der Arbeitnehmer im Grundsatz auch durch den Abschluss eines Abwicklungsvertrages, in dem er ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsschutzes verzichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leiste. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen werde. I.d.R. liege ein Auflösungstatbestand vor, sodass eine Sperrzeit eintrete. Sinn und Zweck der Sperrzeit sei, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe. Hierbei mache es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Arbeitnehmer an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages mitwirke oder ob seine aktive Beteiligung darin liege, dass er hinsichtlich des Bestands der Kündigung und deren Folgen verbindliche Vereinbarungen schließt. In beiden Fällen treffe ihn eine wesentliche Verantwortung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Der regelmäßige Ablauf einer Kündigung mit nachfolgender Abwicklungsvereinbarung bestehe darin, dass dem Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Kündigung eine entsprechende Vereinbarung in Aussicht gestellt werde. Letztlich sei es aber nicht entscheidungserheblich, ob eine entsprechende Erwartungshaltung explizit oder durch die bisherige Übung des Arbeitgebers geweckt werde, oder ob ein Abwicklungsvertrag ohne vorherige Absprache erstmals im Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung geschlossen wird.
bb) Ausnahmen
Rz. 474
Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten aber dann, wenn die ausgesprochene Kündigung objektiv rechtmäßig ist. Gleiches gilt, wenn vor einem Arbeitsgericht ohne vorherige Absprache ein Vergleich über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zustande kommt. Ein gerichtlicher Vergleich, der die Arbeitslosigkeit nicht zu einem früheren Zeitpunkt herbeiführt als die vorausgegangene Kündigung, löst daher keine Sperrzeit aus, es sei denn, es läge eine Umgehung (z.B. Vorfeldabsprache) vor. Eine Sperrzeit tritt auch dann nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ohne Vorfeldabsprache eine betriebsbedingte Kündigung, in der ihm ein Abfindungsangebot nach § 1aKSchG unterbreitet worden ist, lediglich hinnimmt. Ansonsten würde die in § 1a KSchG zu Tage tretende gesetzgeberische Grundentscheidung konterkariert. Er...