Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 351
Grds. besteht kein Recht, den Aufhebungsvertrag zu widerrufen. Allerdings kann ein befristetes Widerrufsrecht bei Abschluss des Aufhebungsvertrages vereinbart werden. Diese Möglichkeit wird vor allem bei Auflösungsvereinbarungen genutzt, die im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen vor Gericht geschlossenen werden.
Rz. 352
Zuweilen sehen auch Tarifverträge (z.B. § 11 Abs. 10 des MTV Einzelhandel-NRW) ein Widerrufsrecht vor. Die tarifliche Einräumung eines Widerrufsrechtes ist jedoch selten. Die Widerrufsfrist beginnt unabhängig davon zu laufen, ob der Arbeitgeber auf das tarifliche Widerrufsrecht hingewiesen hat. Häufig ist ein solches tarifliches Widerrufsrecht verzichtbar ausgestaltet. In diesem Fall kann der Verzicht auch im Aufhebungsvertrag erfolgen, ohne dass er gesondert von dem übrigen Vertragstext oder in einem besonderen Dokument erklärt werden müsste.
Rz. 353
Seit dem 1.1.2002 normierte § 312 Abs. 1 BGB a.F. ein unter bestimmten Voraussetzungen bestehendes Widerrufsrecht. Ob dieses Widerrufsrecht auch für Arbeitsverträge eingreift, war zunächst umstritten. Nach mittlerweile ständiger Rspr. des BAG besteht bei einem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag kein gesetzl. Widerrufsrecht, § 355 iVm §§ 312g, 312b BGB, da der Anwendungsbereich dieser Vorschriften gem. § 312 I BGB nicht eröffnet ist. Dies gilt unabhängig vom Ort des Abschlusses. Ein Widerrufsrecht besteht auch dann nicht, wenn der Aufhebungsvertrag im Personalbüro des Arbeitgebers, am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers oder in dessen Privatwohnung geschlossen worden ist. Der Arbeitnehmer ist zwar Verbraucher iSd. § 13 BGB. Bereits zweifelhaft ist, ob ein arbeitsrechtl. Aufhebungsvertrag (mit Abfindung) eine "entgeltliche Leistung" zum Vertragsgegenstand hat. Der Einordnung von Abfindungszahlungen als entgeltliche Leistung steht der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG entgegen, weil sich dann ein Wertungswiderspruch ggü. Aufhebungsverträgen ohne Abfindung ergäbe, für die dann kein Widerrufsrecht bestünde. Vor allem aber sprechen die Entstehungsgeschichte und der systematische Zusammenhang des § 312 I BGB mit den übrigen Vorschriften der Kapitel 1 und 2 des Untertitels 2 entscheidend dagegen, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge dem Anwendungsbereich dieser Regelungen entfallen sollen. Die Rspr. begegnet der Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen mit dem Gebot des fairen Verhandelns, hierzu Rdn 356 ff.