Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 296
Bis zum Inkrafttreten des § 623 BGB am 1.5.2000 war die konkludente Aufhebung von Arbeitsverträgen möglich. Dies wurde insbesondere diskutiert, wenn ein Arbeitnehmer zum Organ einer Gesellschaft berufen bzw. ein Vorstands- oder Geschäftsführer-Dienstvertrag abgeschlossen wurde. Ob das alte Arbeitsverhältnis ruhte oder beseitigt worden war, wurde nach verschiedenen Auslegungskriterien (z.B. Änderung der Arbeitsbedingungen, Erhöhung der Vergütung) entschieden. Zuletzt nahm das BAG an, dass im Zweifel das ursprüngliche Arbeitsverhältnis aufgehoben sei. Es wies jedoch bereits darauf hin, dass im Lichte des § 623 BGB eine Neubewertung vorzunehmen sei.
Rz. 297
Diese Neubewertung hat das BAG zwischenzeitlich wie folgt vorgenommen: Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführer- oder Vorstandsdienstvertrag, wird vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist. Durch einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt. Ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung der getroffenen schriftlichen Vereinbarung festzustellen, ob der Wille, das Arbeitsverhältnis zu beenden, in der schriftlichen Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist. Hierbei dürfen auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden, wenn der rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der Urkunde einen – wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen – Ausdruck gefunden hat (sog. Andeutungstheorie). Der Wille, das zuvor begründete Arbeitsverhältnis zu beenden, kommt im schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck. Der von § 623 BGB bezweckte Übereilungsschutz steht dem nicht entgegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass mit dem schriftlichen Dienstvertrag eine Vertragsurkunde vorliegt, die dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass nunmehr die vertraglichen Beziehungen zu seinem Arbeitgeber auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Der von § 623 BGB bezweckten Warnung des Arbeitnehmers wird damit genügt. Selbst wenn der Geschäftsführer-Dienstvertrag von der Gesellschaft vorformuliert wäre, führt die in § 305c Abs. 2 BGB enthaltene so genannte Unklarheitenregel zu keiner anderen Beurteilung.
Rz. 298
Dieser Auffassung ist im Ergebnis zu folgen, wenngleich sie nicht unproblematisch ist. Beim Abschluss des Dienstvertrages wird es für den Abschluss eines konkludenten Aufhebungsvertrages häufig an einer ordnungsgemäßen Vertretung der Gesellschaft fehlen: Gegenüber Geschäftsführern bzw. Vorständen wird die Gesellschaft i.d.R. durch die Gesellschafterversammlung bzw. den Aufsichtsrat vertreten; für den Abschluss von Aufhebungsverträgen mit Arbeitnehmern sind diese Organe demgegenüber regelmäßig nicht zuständig, sondern vielmehr die Geschäftsführung bzw. der Vorstand selbst. Möglicherweise wird ein Arbeitsverhältnis daher häufig selbst dann nicht wirksam beendet, wenn es im Dienstvertrag konkludent oder gar ausdrücklich aufgehoben wird. Der Aufhebungsvertrag wird in diesen Fällen erst mit der Genehmigung durch eine zur arbeitsrechtlichen Vertretung berechtigte Person wirksam, § 177 BGB. Das bis zur Genehmigung bestehende Widerrufsrecht nach § 178 BGB dürfte i.d.R. daran scheitern, dass das werdende Organ den Mangel der Vertretungsmacht gekannt hat. Zur Vermeidung etwaiger Rechtsunsicherheiten ist in der Praxis bei einer "Beförderung" zum Organ dringend zu empfehlen, das Schicksal des bisherigen Arbeitsvertrages ausdrücklich zu regeln. Unter Beteiligung des jeweils zuständigen Organs sollte daher entweder ein schriftlicher Aufhebungsvertrag abgeschlossen oder klargestellt werden, dass das bisherige Arbeitsverhältnis ruht.
Rz. 299
Ist der Arbeitgeber eine GmbH & Co.KG, deren einzige Komplementärin die GmbH ist, wird das Arbeitsverhältnis meist mit der KG bestehen, während der Dienstvertrag des Geschäftsführers i.d.R. mit der GmbH geschlossen wird. Für diese Konstellation gilt aufgrund der gleichen Interessenlage Vorstehendes entsprechend: Die für die GmbH den schriftlichen Dienstvertrag abschließende Person hebt i.d.R. – zugleich handelnd für die KG – den mit der KG bestehenden Arbeitsvertrag auf. Mit dem späteren Verlust der Organstellung wandelt sich das zugrundeliegende Dienstverhältnis nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände in ein Arbeitsverhältnis um; auch entsteht nicht automatisch ein neues Arbeitsverhältnis.
Rz. 300
Anders ist die Situation, wenn ein Arbeitnehmer zum Organ bestellt wird, ohne dass ein schriftlicher Aufhebungsvertrag oder ein (eine ausdrückliche oder konkludente Aufhebung enthaltender) schriftlicher Dienstvertrag geschlossen wird. In diesem Fall besteht das Arbeitsverhältni...