Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
aa) Allgemeines
Rz. 309
Aufhebungsverträge sind im Grundsatz ohne besondere Voraussetzungen für beide Seiten verbindlich. Kündigungsfristen brauchen nicht eingehalten zu werden. Allerdings können sich bei der Nichteinhaltung der Kündigungsfristen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber nachteilige sozialversicherungsrechtliche Folgen ergeben (hierzu im Einzelnen vgl. Rdn 464).
Rz. 310
Vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags bedarf es auch keiner Anhörung des Betriebsrats, selbst bei einem Aufhebungsvertrag mit einem BR-Mitglied nicht. Auch Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung bestehen – mit Ausnahme der Anhörungspflicht des Personalrats nach § 74 Abs. 2 LPVG NRW – nicht. Wird ein Aufhebungsvertrag mit einem schwerbehinderten Menschen geschlossen, hat der Arbeitgeber hierüber die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten, § 178 Abs. 2 SGB IX; einer vorherigen Anhörung oder der Beteiligung des Integrationsamtes bedarf es jedoch nicht. Ebenso wenig müssen behördliche Genehmigungen, etwa bei Schwangeren nach § 17 Abs. 2 S. 1 MuSchG oder bei behinderten Menschen nach §§ 168 ff. SGB IX, eingeholt werden. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer lediglich mündlich, dass zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Kündigung seitens des Arbeitgebers ausgesprochen und ein Abwicklungsvertrag geschlossen werden soll, ist die Kündigung kein Scheingeschäft. Der Betriebsrat ist zu ihr nach § 102 BetrVG anzuhören.
Rz. 311
Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit oder ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht vor Abschluss des Aufhebungsvertrages einräumt oder ihm vor einem beabsichtigten Gespräch über einen Aufhebungsvertrag dessen Thema mitteilt. Abweichendes kann sich indes aus tarifvertraglichen Regelungen ergeben.
bb) Keine Umgehung von Schutzvorschriften
Rz. 312
Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages sind die einschlägigen Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers zu beachten. Ein Verstoß gegen derartige Schutzvorschriften führt regelmäßig zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Aufhebungsvertrages. Schutzvorschriften sind insbesondere in folgenden Bereichen zu berücksichtigen:
(1) Betriebsübergang
Rz. 313
Liegt ein Betriebsübergang vor, dürfen die zwingenden Rechtsfolgen des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht umgangen werden. Ein diesen Zweck verfolgender Aufhebungsvertrag ist gem. § 134 BGB nichtig. Eine Umgehung liegt insbesondere dann vor, wenn ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer zu veränderten Konditionen vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird und der Arbeitnehmer unter Hinweis darauf veranlasst wird einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen (so genanntes "Lemgoer Modell"). Verboten sind damit auch Aufhebungsverträge aus Anlass des Betriebsüberganges, wenn sie vom Betriebsveräußerer oder -erwerber allein deshalb veranlasst werden, um dem bestehenden Kündigungsverbot auszuweichen. Unwirksam sind ferner Vertragsgestaltungen, deren objektive Zielsetzung in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes besteht.
Hiervon zu unterscheiden sind zwischen dem Arbeitnehmer und dem alten oder dem neuen Betriebsinhaber geschlossene Vereinbarungen, die auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind. Solche Verträge werden nach der Rechtsprechung des BAG ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung als wirksam angesehen. Dies gilt auch beim Abschluss eines dreiseitigen Vertrages unter Einschaltung einer sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, wenn die Übernahme nicht nur zum Schein geschieht oder offensichtlich nur bezweckt wird, um die Sozialauswahl zu umgehen. Eine rechtsmissbräuchliche Umgehung von § 613a BGB liegt insbesondere vor, wenn zwar für kurze Zeit ein Übertritt in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erfolgt, jedoch zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird; in diesem Fall liegt die objektive Zwecksetzung des Aufhebungsvertrages bzw. des dreiseitigen Vertrages in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes.
Damit trägt die Rechtsprechung dem Umstand Rechnung, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen und damit den Eintritt der Rechtsfolgen des § 613a BGB verhindern kann. Täuscht der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber, dass ein Betriebsübergang geplant ist, indem er wahrheitswidrig eine Betriebsstilllegung vorspiegelt und veranlasst er den Arbeitnehmer dadurch zum Abschluss ...