Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 336
Besonderheiten sind bei Aufhebungsverträgen mit Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern zu beachten.
In diesen Fällen ist zunächst zwischen der Organstellung und dem zugrunde liegenden Dienstverhältnis zu differenzieren. Die Organstellung eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds ist rein gesellschaftsrechtlicher Natur. Sie kann bei GmbH-Geschäftsführern durch Abberufung jederzeit beendet werden, sofern nicht besondere Voraussetzungen für die Abberufung vorgesehen sind, § 38 Abs. 2 GmbHG. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern unterliegt demgegenüber gem. § 84 Abs. 3 AktG gewissen Einschränkungen.
Rz. 337
Neben der Organstellung besteht i.d.R. ein Dienstvertrag zwischen der Person, die zum Organmitglied bestellt ist, und der Gesellschaft. In diesem Dienstvertrag sind vor allem die Vergütung und eventuelle Kündigungsfristen geregelt. Das Dienstverhältnis ist regelmäßig kein Arbeitsverhältnis, da es an einer weisungsgebundenen und abhängigen Tätigkeit fehlt. Der Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied ist als Organ der Arbeitgeberseite zuzurechnen. Vor diesem Hintergrund finden arbeitsrechtliche Regelungen auf Dienstverhältnisse weitgehend keine Anwendung. Ausnahmen bestehen insbesondere nach Maßgabe europäischen Rechts: Abhängig von der Zielsetzung kann ein Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne einer europarechtlichen Norm sein. So sind Fremd- und minderheitlich beteiligte Gesellschaftergeschäftsführer grundsätzlich Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie (RL 98/59/EG), mit der Folge, dass ihre Entlassung bei der Berechnung der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen ist. Sie können auch unter den Schutz der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) fallen und sind dann i.d.R. als Arbeitnehmer i.S.d. § 1 BUrlG anzusehen. Bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen können folglich die Vorgaben der §§ 3, 7 BUrlG zum Mindesturlaub und seiner Abgeltung zu berücksichtigen sein. Eingeschränkt anwendbar sind zudem die Vorschriften des AGG, dessen Benachteiligungsverbote jedoch gemäß § 6 Abs. 3 AGG gerade nicht für die Beendigung des Organverhältnisses gelten. Nach jüngerer Rechtsprechung des BAG entfällt zudem die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nach Abberufung oder Amtsniederlegung, mit der Folge, dass dem Geschäftsführer der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sein kann. Organmitglieder genießen jedoch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, da dieser gem. § 14 KSchG für Mitglieder der Vertretungsorgane von juristischen Personen keine Anwendung findet. Dies gilt in gleicher Weise für Fremdgeschäftsführer, für nur geringfügig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer sowie für herrschende Gesellschafter-Geschäftsführer.
Rz. 338
Aus der rechtlichen Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis folgt grds., dass beide Rechtsverhältnisse rechtlich selbstständig nebeneinanderstehen. Durch die Bestellung als solche wird noch keine schuldrechtliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer begründet. Behauptet der gekündigte Geschäftsführer, es hätten zwei schuldrechtliche Rechtsverhältnisse bestanden (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis), hat er im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben solle, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung vorliege. Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage für die Geschäftsführerbestellung bei der Tochtergesellschaft sein. Dieser Arbeitsvertrag kann nach der Rechtsprechung des BAG wegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ordentlich gekündigt werden, ohne dass es eines rechtfertigenden Grundes bedarf. Anderes kann gelten, wenn zunächst die Beendigung der Organstellung (z.B. durch Abberufung oder Niederlegung) und zeitlich nachfolgend der Ausspruch der Kündigung erfolgen. In diesem Fall greift die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht (mehr) ein.
Rz. 339
Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einem Geschäftsführer bzw. einem Vorstandsmitglied erfolgt die Vertretung der Gesellschaft i.d.R. – wie auch beim Abschluss des Dienstvertrages – durch die Gesellschafterversammlung bzw. den Aufsichtsrat. Ist ein Aufsichtsrat zuständig, kann dieser bei der Willensbildung nicht von seinem Vorsitzenden vertreten werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann lediglich aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung einen Aufsichtsratsbeschluss vollziehen und dabei den Aufsichtsrat beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem geschäftsführenden Organmitglied vertreten. Grund für diese Zuständigkeitsverteilung ist, dass der die Beendigung begründende Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung nicht einengen oder unterlaufen können soll.
Rz. 340
An dieser Zuständigkeitszuweisung ändert ...