Dr. Marion Bernhardt, Stefan Fischer
Rz. 437
Häufig enthalten Aufhebungs- oder Abwicklungsverträge sog. Ausgleichsklauseln, etwa des Inhalts, dass mit der Erfüllung des Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrages sämtliche beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt sind.
Ausgleichs- bzw. Verzichtsklauseln sind – soweit der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber vorformuliert ist – als Nebenabrede nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kontrollfähig. Sofern das Arbeitsverhältnis noch fortdauert, kann eine allgemeine Ausgleichsklausel hinsichtlich ihres Umfangs auslegungsbedürftig sein. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen abschließend zu bereinigen, kommen insb. der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Da die Parteien i.d.R. in einem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen wollen, sind Ausgleichsklauseln grds. "weit" auszulegen. Allerdings besteht bei allumfassenden Ausgleichsklauseln insb. dann ein hohes Unwirksamkeitsrisiko, wenn sie sich (z.B. im Arbeitsvertrag) im Vorhinein auf gesetzlich unverzichtbare Ansprüche beziehen. Fehlen entsprechende Regelungen, sind von einer allgemeinen Ausgleichsklausel jedoch Zeugnisansprüche, Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung sowie Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung eines Darlehens oder auf Rückgabe von Geschäftsunterlagen nicht umfasst, wohl aber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nebst Karenzentschädigung oder ein Anspruch auf anteiliges 13. Monatsgehalt. Eine Ausgleichsklausel, wonach sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung abgegolten sind, erfasst grds. auch Ansprüche aus Aktienoptionen, wenn die Bezugsrechte vom Arbeitgeber eingeräumt wurden.
Eine Ausgleichsklausel, die einseitig nur Ansprüche des Arbeitnehmers erfasst und dafür keine Gegenleistung gewährt, ist unangemessen und benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Rz. 438
In einer Ausgleichsklausel kann nicht auf zwingende gesetzliche oder tarifliche Rechte verzichtet werden. Es ist also nicht möglich, dass der Arbeitnehmer einen Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn, gesetzlichen oder tariflichen Mindesturlaub oder ein tariflich festgelegtes Weihnachtsgeld erklärt. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Rspr. des BAG zur AGB-rechtl. Unwirksamkeit von Ausschlussfristen für Mindestentgelte empfiehlt sich eine ausdrückliche Ausnahme dieser und ggf. weiterer unverzichtbarer Ansprüche, jedenfalls aber eine Klarstellung, wonach Ansprüche, auf die im Nachhinein verzichtet werden kann, von der Ausgleichsklausel nicht erfasst sein sollen. Ein Verzicht auf Ansprüche wegen der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung (vgl. §§ 202 Abs. 1, 276 Abs. 3, 309 Nr. 7 BGB) dürfte nur wirksam möglich sein, sofern ein konkreter Anspruch in Rede steht. § 31 AGG steht einer Vereinbarung, durch die im Nachhinein auf Ansprüche aus dem AGG (z.B. auf Entschädigung nach § 15 II AGG) verzichtet wird, nicht entgegen. Ein Leiharbeitnehmer kann wirksam auf seinen Anspruch auf gleiche Bezahlung ("equal pay") verzichten.
Rz. 439
Ein Verzicht auf Ansprüche aus einem Tarifvertrag ist gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 TVG nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich, ein Verzicht auf Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung (etwa eine Sozialplanabfindung) gemäß § 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich. Dagegen ist der Verzicht auf einen bereits entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruch möglich. Zulässig ist auch auf einen lediglich einzelvertraglich vereinbarten, den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaubsanspruch oder auf ein nur im Arbeitsvertrag vereinbartes Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld zu verzichten. Möglich ist es auch, sich bei einem Streit über die Anzahl der bereits genommenen Urlaubstage darüber zu einigen, dass der Urlaub tatsächlich schon genommen wurde. Hierbei handelt es sich nicht um einen Verzicht auf einen Anspruch, sondern um einen Tatsachenvergleich.
Rz. 440
Ist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine "ordnungsgemäße Abrechnung" vereinbart, ohne dies näher zu beziffern, verliert die Ausgleichsklausel regelmäßig ihre Wirkung. Um dies zu vermeiden, sollte eindeutig und abschließend geregelt werden, was unter "ordnungsgemäßer Abrechnung" zu verstehen ist (vgl. Rdn 371).