Rz. 62
Um ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Maßstäbe die Rechtsprechung hier anlegt, sei exemplarisch auf folgende Beispiele verwiesen:
Rz. 63
Überraschend ist es nach einer Entscheidung des BAG etwa, wenn in einem Arbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung auf die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Vertragstext ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit vorgesehen ist. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist zwar an sich eine sehr übliche und im Allgemeinen sicher wenig überraschende Regelung, der Überraschungseffekt folgt hier jedoch aus der Gestaltung des Vertrags und dem unerwarteten Nebeneinander zweier Befristungsregelungen, von denen noch dazu nur eine drucktechnisch hervorgehoben war. Dieses Gesamtbild führte das BAG hier zur Einschätzung, dass die zweite Befristung wegen § 305c Abs. 1 BGB schon nicht Vertragsbestandteil wurde. Nachvollziehbar wurde dies damit begründet, dass der Arbeitnehmer nicht damit rechnen musste, dass sich im "Kleingedruckten" noch eine (weitere) Regelung findet, die das zuvor drucktechnisch Hervorgehobene in erheblichem Umfang abändert.
Rz. 64
Überraschend ist nach Auffassung des BAG etwa auch eine Regelung, die eine rückwirkende Vertragsänderung bewirken soll, vom Verwender allerdings unter der sehr missverständlichen Überschrift "Vertragsdauer und Kündigung" untergebracht wurde. Wiederum sehr nachvollziehbar verweist das BAG darauf, dass unter einer solchen Überschrift zwar z.B. mit Regelungen zur Befristung des Arbeitsverhältnisses oder zu den Modalitäten einer Beendigung durch Kündigung zu rechnen sei, nicht jedoch mit einer rückwirkenden und damit doch außergewöhnlichen Abänderung der Arbeitsbedingungen. Auch hier ergab sich der Überraschungseffekt also wiederum im Wesentlichen aus der formalen Gestaltung des Vertrags und dem Umstand, dass eine Regelung unerwartet unter irreführender Überschrift zu finden war.
Rz. 65
Nicht überraschend sind im Allgemeinen dagegen etwa Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, auch wenn diese im Einzelfall für den Arbeitnehmer mit sehr belastenden Folgen in Form des Verlustes von Ansprüchen verbunden sein können. Das BAG stellt in diesem Zusammenhang zutreffend darauf ab, dass Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben entsprechen und der Arbeitnehmer entsprechend mit einer solchen Regelung rechnen muss. Inhaltlich sind Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen damit weder etwas Ungewöhnliches noch etwas Überraschendes. Etwas anderes kann sich aber auch hier ergeben, wenn die Klausel im Arbeitsvertrag z.B. an versteckter Stelle oder auch unter irreführender Überschrift aufgeführt ist. Gerade im Fall einer u.U. durchaus belastend wirkenden Ausschlussfrist empfiehlt es sich daher dringend, die Regelung in einem eigenen Paragraphen unter aussagekräftiger Überschrift zu verorten und ggf. sogar zusätzlich drucktechnisch hervorzuheben. Nach Auffassung des BAG genügt die Regelung in einem eigenen Paragraphen unter der Überschrift "Ausschlussklausel", um dem Vorwurf einer überraschenden Klausel zu entgehen.
Rz. 66
Nicht überraschend ist etwa auch die Regelung einer Altersgrenze, also einer Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters, in einer Versorgungszusage. Zutreffend verweist das BAG hier darauf, dass zwar keinesfalls jede Versorgungszusage auch eine Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalte, schon weil derartige Regelungen vielfach bereits in Tarif- oder Arbeitsverträgen vorzufinden sind, dass jedoch andererseits eine Regelung zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in einer Versorgungszusage keineswegs ungewöhnlich sei.
Rz. 67
Als nicht überraschend hat das BAG auch eine erst am Ende eines Arbeitsvertrags unter zumindest nicht ganz gängiger Überschrift verortete Versetzungsklausel bewertet, obwohl die Regelungen zum Arbeitsinhalt und auch erste Regelungen zum Arbeitsort ansonsten ganz vorne in § 1 des Vertrags untergebracht waren. Auch wenn die sachlich zusammengehörenden Regelungen hier sicher in nicht ganz glücklicher Weise voneinander getrennt wurden, hat das BAG die Versetzungsklausel nicht als "überraschend" i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB gesehen.