Rz. 37
Vertragsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegen weiterhin nur dann der (vollen) Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff., wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Auch diese Voraussetzung wird bei arbeitsvertraglichen Regelungen oder auch bei Vorlagen für die Gestaltung von Aufhebungsverträgen in der Praxis in aller Regel unproblematisch erfüllt sein.
Das Gesetz fordert nicht, dass die jeweilige Vertragsbedingung für eine unbestimmte, nach oben hin offene Anzahl von Fällen vorformuliert sein muss. Von einer Vorformulierung für eine "Vielzahl" von Fällen kann bereits dann ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine mindestens dreimalige Verwendung beabsichtigt ist. Ist dies der Fall, so finden die §§ 305 ff. bereits auf den ersten Verwendungsfall und nicht etwa erst auf den dritten oder vierten Fall Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn sich später herausstellen sollte, dass es nur zu einer ein- oder zweimaligen Verwendung der Vertragsbedingung gekommen ist.
Rz. 38
Für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert ist eine Vertragsbedingung hingegen nicht, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist. Plant ein Arbeitgeber die Verwendung einer vorformulierten Klausel zunächst nur in einem Einzelfall, so unterliegt diese bei Eintritt dieses Einzelfalls deshalb grds. nicht der Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB. Zu einer Anwendung des AGB-Rechts kommt es in solchen Fällen erst bei mehrfacher Verwendung. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass auch im Fall der Absicht nur zur einmaligen Verwendung eine Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB nicht vollständig ausgeschlossen ist, weil der Arbeitnehmer von der Rechtsprechung als Verbraucher i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB gesehen wird: Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelten im Falle eines Verbrauchervertrags insbesondere die §§ 305c Abs. 2, 306 und §§ 307–309 BGB auch im Fall einer nur zur einmaligen Verwendung vorformulierten Vertragsbedingung, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Praktisch führt dies dazu, dass die Prüfung der Verwendungsabsicht in einer "Vielzahl" von Fällen im arbeitsrechtlichen Kontext von weit geringerer Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten ist.
Rz. 39
Da es insbesondere in einem Prozess um die Vereinbarkeit einer vertraglichen Regelungen mit den §§ 305 ff. für den Arbeitnehmer u.U. schwer sein kann, dem Arbeitgeber die Absicht einer mehrfachen Verwendung nachzuweisen, hilft die Rechtsprechung zudem bisweilen mit einer (widerlegbaren) Vermutung: So sollen insbesondere Inhalt und das äußere Erscheinungsbild einer Vertragsbedingung dafür sprechen können, dass eine Absicht der Mehrfachverwendung bestand. Eine solche Vermutung ist nach Auffassung des BAG z.B. dann gerechtfertigt, wenn der Vertrag zahlreiche nicht auf die individuelle Vertragssituation ausgerichtete, allgemein verwendbare und formelhafte Klauseln enthält.