a) Erfasste Vereinbarungen
Rz. 19
Nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Der Begriff des Tarifvertrags ist vor dem Hintergrund des § 1 TVG zu verstehen, so dass hierunter Verträge zwischen mindestens einer Gewerkschaft auf der einen und einem Arbeitgeberverband oder einem Einzelunternehmen auf der anderen Seite zu fassen sind, die sich auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beziehen. Die gesetzlich vorgesehene Nichtanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge erklärt sich dadurch, dass der Gesetzgeber eine gerichtliche Inhaltskontrolle hier als zu gravierenden Eingriff in die Tarifautonomie ansah.
Rz. 20
Mit Blick auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen verfängt dieses Argument zwar nicht. Jedoch folgt auch hier aus dem Umstand, dass die Kollektivvereinbarung unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebs-/Personalrats quasi "auf Augenhöhe" ausgehandelt wurde, eine gewisse Richtigkeitsgewähr, die für den Gesetzgeber ebenfalls Argument war, Betriebs- und Dienstvereinbarungen von der AGB-Kontrolle auszunehmen. Klarzustellen ist dabei, dass unter den Begriff der Betriebsvereinbarungen auch freiwillige Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 88 BetrVG und selbstverständlich auch Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen zu fassen sind, da auch diese gem. § 77 Abs. 4 BetrVG normativ gelten.
Rz. 21
Nicht erfasst sind dagegen bloße Regelungsabreden der Betriebsparteien, da diese eben nicht normativ gelten, sondern lediglich die Betriebsparteien schuldrechtlich binden. Selbiges gilt im Ergebnis für kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien. Auch diese entfalten keine normative Wirkung und werden dementsprechend nicht vom Anwendungsausschluss des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erfasst.
Richtlinien i.S.d. SprAuG sollen in jedenfalls analoger Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB der AGB-Kontrolle entzogen sein, wenn und soweit sie normativ gelten. Dies ist allerdings nur dann bzw. insoweit der Fall, als zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuss die unmittelbare und zwingende Wirkung der Richtlinie vereinbart ist (§ 28 Abs. 2 S. 1 SprAuG).
b) Arbeitsvertragliche Inbezugnahme von Kollektivvereinbarungen
Rz. 22
Der Anwendungsausschluss des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB greift nur dann ein, wenn die jeweilige Kollektivregelung normativ für das Arbeitsverhältnis gilt. Bei Tarifverträgen ist hier also eine beiderseitige Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien bzw. die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags Voraussetzung für den Ausschluss einer AGB-Kontrolle.
Gilt ein Tarifvertrag oder (was praktisch seltener sein dürfte) eine Betriebsvereinbarung nicht normativ, sondern erst kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme, so scheitert eine AGB-Kontrolle jedenfalls nicht an § 310 Abs. 4 S. 1 BGB. Ein Ausschluss der Inhaltskontrolle kann allerdings auch dann immer noch aus § 310 Abs. 4 S. 3 BGB i.V.m. § 307 Abs. 3 BGB folgen, weil es sich um eine lediglich deklaratorische Klausel handelt, die etwa lediglich den Wortlaut eines Tarifvertrags wiederholt.
Rz. 23
Ansonsten kommt in den Fällen der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung eine AGB-Kontrolle sowohl der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeregelung als auch der in Bezug genommenen Kollektivregelung selbst in Betracht. Klarzustellen ist insoweit, dass § 310 Abs. 4 S. 1 BGB eine Inhaltskontrolle der arbeitsvertraglichen Inbezugnahmeregelung selbst nicht ausschließt. Enthält also der Arbeitsvertrag eine Regelung dergestalt, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge einer bestimmten Branche Anwendung finden sollen, so unterliegt diese vertragliche Regelung grds. der AGB-Kontrolle und muss insbesondere klar und verständlich formuliert sein.
Rz. 24
Die Beantwortung der weiteren Frage, inwieweit und mit welchen Folgen darüber hinaus die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen (oder auch Bestimmungen einer nur kraft vertraglicher Inbezugnahme geltenden Betriebsvereinbarung) einer bei nicht normativer Geltung grds. denkbaren Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB unterliegen, ist im Einzelfall schwierig und hängt stark von der konkreten Ausgestaltung der vertraglichen Inbezugnahme im Einzelfall ab. So kommt etwa der Frage große Bedeutung zu, ob der Arbeitsvertrag einen grds. für das Arbeitsverhältnis einschlägigen oder aber einen "sachfremden" Tarifvertrag in Bezug nimmt. Weiter macht es einen Unterschied, ob ein Tarifvertrag insgesamt oder lediglich ausgewählte, etwa den Arbeitnehmer belastende Regelungen in Bezug genommen werden. Wegen der Einzelheiten sei an dieser Stelle auf die Ausführungen ...