Rz. 50
Das Gesetz schreibt dem Rechtsanwender nicht zwingend vor, in welcher Reihenfolge er die bei der Kontrolle arbeitsvertraglicher Regelungen anhand der §§ 305 ff. BGB zu behandelnden Fragen abzuarbeiten hat. Allerdings folgt aus den Grundsätzen der Logik eine gewisse Rangfolge der im Einzelnen zu überprüfenden Fragen. So ist z.B. eine inhaltliche Kontrolle einer vertraglichen Regelung selbstverständlich obsolet, wenn die Regelung erst gar nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
Sinnvoll und praktisch ratsam erscheint daher ein Vorgehen in folgenden Schritten:
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1. Schritt: Zunächst ist zu überprüfen, ob es sich bei der konkret zur Überprüfung anstehenden Vertragsbestimmung um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB bzw. jedenfalls um vorformulierte Einmalbedingungen i.S.d. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt, auf welche jedenfalls weite Teile der §§ 305 ff. BGB anzuwenden sind. |
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2. Schritt: Zweitens ist zu überprüfen, ob die zur Überprüfung anstehende Vertragsbestimmung nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln Vertragsbestandteil geworden ist. |
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3. Schritt: Drittens ist zu fragen, ob die jeweilige Regelung möglicherweise deshalb nicht Vertragsbestandteil geworden ist, weil es sich um eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB handelt. Diese Prüfung entfällt, wenn es sich lediglich um vorformulierte Einmalbedingungen handelt, da § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gerade nur auf Abs. 2 des § 305c BGB verweist und § 305c Abs. 1 BGB daher auf vorformulierte Einmalbedingungen nicht anzuwenden ist. |
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4. Schritt: Viertens ist zu fragen, ob sich eine weitere Überprüfung der jeweiligen Vertragsregelung u.U. deshalb erübrigt, weil diese hinter einer individuellen Vertragsabrede i.S.d. § 305b BGB zurücktritt. |
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5. Schritt: Fünftens ist der konkrete Inhalt der zu überprüfenden Klausel – ggf. unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB – durch Auslegung zu bestimmen und zu fragen, ob die entsprechende Regelung nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig ist (dies ist nicht der Fall bei rein deklaratorischen Klauseln und Regelungen der Hauptleistungspflichten). |
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6. Schritt: Sechstens ist die Frage zu stellen, ob die jeweilige Regelung wegen eines Verstoßes gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit i.S.d. § 309 BGB unwirksam ist. |
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7. Schritt: Siebtens ist zu überprüfen, ob die jeweilige Regelung wegen eines Verstoßes gegen ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit i.S.d. § 308 BGB unwirksam ist. |
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8. Schritt: Ist auch dies nicht der Fall, ist achtens zu fragen, ob die zu prüfende Vertragsregelung im Lichte der Generalklausel des § 307 BGB unwirksam ist. |
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9. Schritt: Führt die Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel, so ist abschließend die Frage zu beantworten, welche Rechtsfolgen dies im Detail für die Klausel und den Vertrag insgesamt hat. |
Die vorstehend nur stichpunktartig abgebildete Prüfungsreihenfolge wird im Folgenden im Detail erläutert.
I. Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierter Einmalbedingungen
Rz. 51
Gegenstand der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB sind zunächst Allgemeine Geschäftsbedingungen. Soll eine arbeitsvertragliche Regelung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB überprüft werden, ist also zunächst zu untersuchen, ob es sich um AGB i.S.d. § 305 BGB handelt. Wegen der Einzelheiten und der insoweit zu prüfenden Fragen sei hier auf die ausführliche Darstellung des AGB-Begriffs oben verwiesen.
Rz. 52
Zu beachten ist, dass eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB darüber hinaus auch dann in Betracht kommt, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und es sich damit mangels bestehender Absicht der Mehrfachverwendung nicht um AGB handelt: Das BAG geht nämlich davon aus, dass Arbeitnehmer bei Abschluss von Verträgen mit ihrem Arbeitgeber regelmäßig als Verbraucher handeln. Und im Fall solcher Verbraucherverträge finden die § 305 ff. BGB zumindest in Teilen auch auf nur zur einmaligen Verwendung vorformulierte Vertragsbedingungen Anwendung (sog. vorformulierte Einmalbedingungen). Namentlich gilt dies für die §§ 305c Abs. 2 sowie die §§ 307–309 BGB (siehe § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
II. Einbeziehung in den Vertrag
Rz. 53
Im zweiten Schritt ist die Frage aufzuwerfen, ob die zu überprüfende(n) Vertragsbestimmung(en) wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.
1. Allgemeine Rechtsgeschäftslehre
Rz. 54
Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen folgt dabei zunächst allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen. Es ist also insbesondere zu fragen, ob die den Arbeitsvertrag anbietende Vertragspartei – dies wird in den hier interessierenden Fällen in aller Regel der Arbeitgeber sein – die vorformulierten Vertragsbedi...