Rz. 143

Bei der Prüfung der (Un-)Wirksamkeit von Klauseln anhand der §§ 307309 BGB ist grds. auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.[302]

 

Rz. 144

Dies gilt zunächst jedenfalls mit Blick auf die Beurteilung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht. Spätere Veränderungen des Sachverhalts bleiben in aller Regel unberücksichtigt, wenn nicht ausnahmsweise das materielle Recht auch eine Berücksichtigung künftiger Veränderungen des Sachverhalts gebietet.[303] Geht es dagegen um die der Inhaltskontrolle nachgelagerte Frage, ob der Arbeitgeber etwa einen im Formulararbeitsvertrag vorgesehenen Vorbehalt – z.B. einen Widerrufsvorbehalt – im Lichte des § 315 BGB wirksam ausgeübt hat (sog. Ausübungskontrolle), so kommt es auf die tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts an.[304]

 

Rz. 145

Auch in rechtlicher Hinsicht gilt zunächst der Grundsatz, dass bei Prüfung der Klausel auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist. Gesetzesänderungen nach Vertragsschluss rechtfertigen schon vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Rückwirkungsverbots keine hiervon abweichende Vorgehensweise. Ggf. ist aber die zum neuen Gesetz ergangene Übergangsregelung zu beachten, wie z.B. die allgemein für die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht zentrale Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB eindrucksvoll zeigt, nach der nach Ablauf einer einjährigen "Schonfrist" die Neuerungen der §§ 305 ff. BGB auch auf vor der Reform des Schuldrechts geschlossene Altverträge anzuwenden sind.

 

Rz. 146

Nicht abschließend geklärt ist, wie sich nach Abschluss des Vertrags eintretende Änderungen der Rechtsprechung auswirken: Das BAG hat zumindest im Zuge seiner Rechtsprechungsänderung zum Verständnis dynamischer Bezugnahmeregelungen als sog. "Gleichstellungsabrede" bei bis zum 31.12.2001 geschlossenen Arbeitsverträgen Vertrauensschutz gewährt und ist damit dem Grundsatz treu geblieben, dass Änderungen der Rechtsprechung nach Vertragsschluss nicht zur Unwirksamkeit einer anfänglich wirksamen Klausel führen.[305] Nach anderer Auffassung soll für die Beantwortung der Frage der Wirksamkeit einer AGB-Klausel ausschließlich die rechtliche Überzeugung des Richters im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein.[306]

[302] Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn 44.
[303] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 67 f.
[304] Vgl. BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220.
[306] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 70 f. m.w.N.

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