1. "Arbeitsverträge" i.S.v. § 310 Abs. 4 BGB
Rz. 6
Ohne Weiteres sind die §§ 305 ff. BGB unter Berücksichtigung der in § 310 Abs. 4 BGB vorgesehenen Besonderheiten auf vorformulierte Arbeitsverträge im eigentlichen Wortsinne anzuwenden, also auf privatrechtliche Verträge, mit denen ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber begründet wird, welches die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Gegenstand hat. In erster Linie geht es hier also um den ursprünglich vorformulierten Arbeitsvertrag, mit dem ein Arbeitnehmer in die Dienste eines Arbeitgebers eintritt. Allerdings umfasst der Begriff des "Arbeitsvertrags" in § 310 Abs. 4 BGB nach h.M. nicht nur Arbeitsverträge in diesem technischen Sinne, sondern ist deutlich weiter zu verstehen und umfasst damit im Grunde jegliche individualvertragliche Vereinbarung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts:
Anzuwenden sind die §§ 305 ff. (auch hier wiederum unter Berücksichtigung von § 310 Abs. 4 BGB) über den in einem strengen Sinne verstandenen Wortlaut hinaus z.B. auch auf vorformulierte Vorverträge zu einem Arbeitsvertrag oder vorformulierte Änderungs- oder Ergänzungsvereinbarungen zu einem bereits bestehenden Arbeitsvertrag. Auch hier kommt also jeweils eine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB in Betracht.
Rz. 7
Eine "arbeitsrechtliche" Inhaltskontrolle unter Berücksichtigung der in § 310 Abs. 3 und 4 BGB vorgesehenen Besonderheiten kommt im Übrigen auch dann in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis betreffende Nebenabreden nicht mit dem eigentlichen Vertragsarbeitgeber, sondern mit einer anderen Gesellschaft der jeweiligen Unternehmensgruppe geschlossen werden. Als Beispiel hierfür seien Regelungen über die Teilnahme an Aktienoptionsplänen genannt, die nicht mit dem eigentlichen Arbeitgeber, sondern etwa der börsennotierten Konzernmutter geschlossen werden. Auch hier sind die §§ 305 ff. BGB unter Berücksichtigung der in § 310 Abs. 4 BGB vorgesehenen Besonderheiten anzuwenden, obwohl es sich nicht mehr um eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt.
Rz. 8
Auch bei Vereinbarungen, die einen vom Arbeitsvertrag zunächst freigehaltenen Rahmen ausfüllen, kommt eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB in Betracht. Dies gilt etwa mit Blick auf Zielvereinbarungen.
2. Verträge mit Organmitgliedern
Rz. 9
Eine Anwendung der §§ 305 ff. BGB kommt grundsätzlich auch im Fall des Anstellungsvertrags von Organmitgliedern in Betracht, soweit die Vertragsbedingungen – was hier im Vergleich zu Arbeitnehmern praktisch häufiger der Fall sein dürfte – nicht im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt wurden. Praktische Relevanz hat dies vor allem mit Blick auf Anstellungsverträge von GmbH-Geschäftsführern oder Vorständen einer Aktiengesellschaft.
Rz. 10
Die in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nach wie vor vorgesehene Bereichsausnahme für den Bereich des Gesellschaftsrechts steht einer Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf den Anstellungsvertrag eines Organmitglieds nicht entgegen. Der Anstellungsvertrag ist kein "Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts" in diesem Sinne. Gemeint sind hiermit nämlich nach h.A. lediglich Regelungen zur Organisationsverfassung der Gesellschaft sowie der mitgliedschaftlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Der Anstellungsvertrag des Organmitglieds regelt dagegen lediglich die schuldrechtliche Austauschbeziehung zwischen Organ und Anstellungsgesellschaft und unterfällt nicht der gesellschaftsrechtlichen Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB.
Nach Auffassung des BAG handelt sogar jedenfalls der (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbH bei Abschluss seines Anstellungsvertrags als "Verbraucher", so dass bei Anwendung der §§ 305 ff. BGB die in § 310 Abs. 3 BGB vorgesehenen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
Rz. 11
Nicht abschließend geklärt ist, ob und ggf. wie bei der AGB-rechtlichen Überprüfung des Anstellungsvertrags eines Organmitglieds gemäß oder analog § 310 Abs. 4 BGB die "im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" zu berücksichtigen sind. An sich ist der Dienstvertrag eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds gerade kein Arbeitsvertrag, so dass auf den ersten Blick eine Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten nicht angezeigt erscheint. Dies kann allerdings zu Wertungswidersprüchen führen: So kann es etwa dazu kommen, dass belastende Regelungen unter Berücksichtigung der im...