Rz. 30

Eine Inhaltskontrolle vertraglicher Regelungen anhand der §§ 305 ff. BGB kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn es sich hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. gesetzlichen Bestimmungen handelt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB erfüllt sind, die nachfolgend im Detail erläutert werden.

Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach § 305 Abs. 1 BGB dann vor, wenn es sich

um Vertragsbedingungen handelt,
die vorformuliert und
für die Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen bestimmt sind,
bei Abschluss des Vertrags durch eine Partei gestellt werden und
nicht im Einzelnen ausgehandelt sind.

1. Vertragsbedingungen

 

Rz. 31

Unter dem Begriff der Vertragsbedingung ist zunächst grds. jegliche Regelung zu verstehen, die den Inhalt eines Vertrages gestaltet, gleichgültig ob es sich um eine Regelung von Haupt- oder Nebenleistungspflichten handelt.[63]

Nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB ist für die Qualifizierung einer Regelung als Vertragsbedingung irrelevant, in welcher vertraglichen Form sie vorgesehen wird. Gleichsam kommt es nicht darauf an, ob sie einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bildet oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen wird, welchen Umfang sie hat und in welcher Schriftart sie verfasst ist. Daher können etwa auch separate Vereinbarungen über die Gewährung von Aktienoptionen Gegenstand der AGB-Kontrolle sein.[64] Gleiches gilt für nur mündlich oder stillschweigend vereinbarte Arbeitsbedingungen oder etwa auch Freiwilligkeits-, Widerrufs- oder Anrechnungsvorbehalte, die sich nur auf der Gehaltsabrechnung oder in separaten Schreiben finden.[65] Ebenso kommen auch Gesamtzusagen oder eine betriebliche Übung als grds. kontrollfähige Vertragsbedingungen infrage.[66]

 

Rz. 32

Besonderer Erwähnung bedarf, dass auch der sog. Freiwilligkeitsvorbehalt,[67] der seinem Inhalt nach gerade eine rechtsgeschäftliche Bindung bzw. das Entstehen eines Anspruchs – z.B. auf eine bestimmte Gratifikationszahlung – verhindern soll, nach h.A. als grds. kontrollfähige Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB zu sehen sein kann.[68]

 

Rz. 33

Neben Regelungen im Arbeitsvertrag selbst oder in den Arbeitsvertrag abändernden Vereinbarungen kommen auch vorformulierte Aufhebungsverträge oder auch Abwicklungsverträge als Gegenstand der AGB-Kontrolle in Betracht.[69] Nicht von vornherein ausgeschlossen ist eine AGB-Kontrolle auch mit Blick auf gerichtliche Vergleiche, mit denen im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens häufig Einigungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Neuregelungen des Inhalts des Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Allerdings wird eine AGB-Kontrolle hier vielfach spätestens daran scheitern, dass die Bedingungen des gerichtlichen Vergleichs in der Regel im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt werden.[70]

 

Rz. 34

Obwohl der Wortlaut des Gesetzes zumindest auf den ersten Blick eher für eine Beschränkung auf zweiseitige Rechtsgeschäfte sprechen mag, können nach h.M. auch einseitige Erklärungen und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen – wie etwa vorformulierte Einwilligungserklärungen oder Ausgleichsquittungen – als "Vertragsbedingung" der AGB-Kontrolle unterliegen.[71] Die auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zielende einseitige Kündigungserklärung ist dagegen nach Auffassung des BAG keine Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB und unterliegt daher nicht der Kontrolle anhand des Maßstabs der §§ 305 ff. BGB.[72]

[63] Schaub/Linck, § 35 Rn 6.
[65] BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08; Schaub/Linck, § 35 Rn 6.
[66] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 305 BGB Rn 5 f.
[67] Siehe hierzu unter § 3 Rdn 50 ff.
[68] Zweifelnd noch BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07; bejahend BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13; ausführlich hierzu Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 305 BGB Rn 5 m.w.N.
[69] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 305 BGB Rn 5a; siehe hierzu auch Rdn 16 ff.
[71] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 305 BGB Rn 6.
[72] Siehe hierzu und zu den jenseits der §§ 305 ff. BGB zu wahrenden Bestimmtheitsanforderungen BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14.

2. Vorformuliert

 

Rz. 35

Für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen setzt § 305 Abs. 1 S. 1 BGB weiter voraus, dass die ggf. zu kontrollierenden Vertragsbedingungen "vorformuliert" sind. Dies ist schon dann der Fall, wenn die entsprechenden Vertragsbedingungen bereits vor Vertragsschluss fertig formuliert vorliegen, um künftig im Rahmen von Vertragsabschlüssen Verwendung zu finden.[73] Da Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber selbst bei niedrigem Professionalisierungsgrad in aller Regel mit Vertragsvorlagen für unterschiedlichste Situationen arbeiten (etwa Standardverträge für Tarifmitarbeiter und AT-Mitarbeiter, Anstellungsverträge für Geschäftsführer, standardisierte Vorlagen für Aufhebungsverträge, etc.) wird diese Anforderung im Bereich des Arbeitsrechts in aller Regel erfüllt sein.

Unerheblich ist in d...

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