a) Typischer Sachverhalt
Rz. 135
Ein Unternehmer möchte sich seinem Vertragspartner gegenüber von seinem Einkaufsrisiko freizeichnen, sich also diesem gegenüber darauf berufen können, selber nicht beliefert worden zu sein (Vorbehalt der Selbstbelieferung). Ist der Unternehmer indes der Käufer, hat er ein Interesse daran, nicht das Einkaufsrisiko aufgebürdet zu bekommen.
b) Einschränkung des Beschaffungsrisikos (Verkauf-AGB)
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 136
Ein Selbstbelieferungsvorbehalt kommt in AGB nur bei Lieferverträgen (nicht bei Werkleistungen) in Betracht. Der durch den Selbstbelieferungsvorbehalt begünstigte Verkäufer kann sich von seiner Leistungspflicht jedoch nur freizeichnen, wenn er ein kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von dem Partner dieses Einkaufsgeschäfts im Stich gelassen wird. Es kann dem Verkäufer jedoch nach Treu und Glauben (BGB § 242) verwehrt sein, sich auf den an sich wirksamen Selbstbelieferungsvorbehalt zu berufen, wenn er beim Abschluss des (kongruenten) Deckungsgeschäfts nicht die Sorgfalt beobachtet hat, die ein ordentlicher Kaufmann der betreffenden Branche regelmäßig beim Abschluss ähnlicher Kontrakte anzuwenden pflegt. Er lässt diese Sorgfalt vermissen, falls er das Deckungsgeschäft ungeachtet ihm bekannter Umstände abschließt, welche seine Erwartung, aus dem Deckungsgeschäft rechtzeitig und richtig oder überhaupt beliefert zu werden, bei vernünftiger Betrachtungsweise als nicht gesichert erscheinen lassen. Gegenüber einem Unternehmer muss der Rücktrittsgrund in der Klausel nicht im Einzelnen angegeben werden, ebenso wenig muss die nach § 308 Nr. 8 BGB bestehende Informations- und Erstattungspflicht gegenüber einem Unternehmer wiedergegeben werden. Für den Einzelfall sind dann aber im Wesentlichen dieselben inhaltlichen Voraussetzungen für das Lossagen von einem Liefervertrag maßgeblich wie gegenüber einem Verbraucher (vgl. Rdn 49 ff.).
bb) Muster: Selbstbelieferungsvorbehalt (Verkauf-AGB für Kaufverträge)
Rz. 137
Muster 2.27: Selbstbelieferungsvorbehalt (Verkauf-AGB für Kaufverträge)
Muster 2.27: Selbstbelieferungsvorbehalt (Verkauf-AGB für Kaufverträge)
Der Verkäufer ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, soweit er trotz des vorherigen Abschlusses eines entsprechenden Einkaufsvertrags seinerseits unter Beachtung der kaufmännischen Sorgfalt den Liefergegenstand unverschuldet nicht erhält. Der Verkäufer wird den Käufer unverzüglich über die nicht rechtzeitige Verfügbarkeit des Liefergegenstandes informieren und, wenn er deshalb zurücktreten will, das Rücktrittsrecht unverzüglich ausüben. Auch dem Käufer steht infolge der Information des Verkäufers ein Rücktrittsrecht zu. Der Verkäufer wird dem Käufer im Falle des Rücktritts – gleich von wem – die Gegenleistung unverzüglich erstatten.
c) Erweiterung des Beschaffungsrisikos (Einkauf-AGB)
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 138
Die Möglichkeit der vollen Überbürdung des Beschaffungsrisikos auf den Auftragnehmer im Sinne der Übernahme einer "Garantie" für die Beschaffung von Lieferungen oder Leistungen ist in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB vom Gesetzgeber ausdrücklich als zulässig vorgesehen.
Regelungen zum Umfang des Beschaffungsrisikos unterliegen aber der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB. Für die Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB ist zunächst auf etwaige gesetzliche Regelungen abzustellen, von denen abgewichen wird (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). § 276 Abs. 1 S. 1 BGB führt zwar nicht zu einer – automatischen – gesetzlichen Garantiehaftung hinsichtlich der Beschaffung der Lieferung/Leistung. Eine Regelung in AGB gegenüber einem Unternehmer, die eine solche Garantiehaftung herstellt, ist deshalb aber nicht per se unangemessen. Allerdings hat der BGH Klauseln, wonach der Lieferant auch ohne Verschulden auf Schadensersatz haften soll, im Falle von (Rechts-)Mängeln für unwirksam erklärt. Wie auch bei einer Vertragsstrafe ist die Verschuldensunabhängigkeit der Haftung gegenüber Unternehmern zulässig, wenn sie durch höhere Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist oder durch Gewährung rechtlicher Vorteile ausgeglichen wird; Gleiches gilt im Falle von – dem Partner anvertrauten – Rechtsgütern, deren Verletzung der Verwender nicht überprüfen kann. Eine solchermaßen angemessene Erweiterung der Haftung ist gegenüber einem Unternehmer i.d.R. auch nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB).