Rz. 31

Die Rechtsgedanken des § 307 BGB werden durch die speziellen Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB ergänzt und konkretisiert. Hinsichtlich deren Anwendungsbereich ist danach zu differenzieren, wer der Kunde ist.

 

Rz. 32

Werden die AGB gegenüber einem Verbraucher verwandt, gelten folgende Maßgaben:

Die §§ 308 f. BGB gelten unmittelbar.
Bei Verbraucherverträgen sind für § 307 Abs. 1 und 2 BGB im Individualprozess aber auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB).
Hingegen muss die Liste missbräuchlicher Klauseln (Anhang zur Klausel-RL) bei Anwendung der §§ 307 ff. BGB auch gegenüber Verbrauchern – da sie wohl nur "Hinweis- und Beispielcharakter" hat – nicht beachtet werden.[101]
 

Rz. 33

Werden die AGB gegenüber einem Unternehmer (oder einer juristischen Person/Sondervermögen des öffentlichen Rechts) verwandt, gelten folgende Maßgaben.

Die §§ 308 f. BGB sind wegen § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB). Ausnahme: § 308 Nrn. 1a und 1b BGB.
Die Rechtsgedanken des § 309 BGB sind zu beachten: Fällt eine Klausel in AGB bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden.[102] Diese Formulierung zeigt neben der Tatsache, dass eine Differenzierung zwischen unternehmerischem Verkehr und Verwendung gegenüber Verbrauchern entgegen § 310 Abs. 1 BGB zu Unrecht weitgehend aufgegeben wird, zugleich die fortschreitende Tendenz weg von einer "Unangemessenheits-", hin zur "Angemessenheitskontrolle",[103] was beides vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, der (in § 307 BGB) das Kriterium "unangemessen" vorgab.[104]
Im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist anhand jeder einzelnen Bestimmung, von der abgewichen werden soll, zu fragen, ob die Norm Ausdruck eines Zweckmäßigkeitsgedankens ist (dann: keine Leitbildfunktion) oder Folge eines wesentlichen Schutzbedürfnisses.[105] Jedoch wird eine generelle Leitbildfunktion der gegenüber einem Verbraucher zwingenden Kaufrechtsbestimmungen (§ 476 Abs. 1 BGB) gegenüber einem Unternehmer überwiegend verneint oder es wird zumindest gefordert, dass im Verkehr zwischen Unternehmern dies nicht zu einer Verengung der Gestaltungsfreiheit führen dürfe.[106] Nur so kann der in § 310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB vom Gesetzgeber unverändert angeordneten Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten[107] hinreichend Rechnung getragen werden.
[101] Flirrende Rspr. des EuGH, zuletzt: nur eine als Hinweise dienende und nicht erschöpfende Liste (EuGH v. 14.3.2013 – C-415/11, RIW 2013, 374; so bereits EuGH v. 1.4.2004 – C-237/02, NJW 2004, 1647; EuGH v. 4.6.2009 – C-243/08, NJW 2009, 2367 f. (m. Anm. Pfeiffer). Aber EuGH v. 6.12.2011 – C-472/10 (insb. Nr. 26), EWiR 2012, 677 (Lindacher) = IBR 2012, 737 (Vogel) = IBR 2013, 278 (Rodemann): "wesentliche Grundlage, auf die das zuständige Gericht seine Beurteilung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel stützen kann", was eine Art Indizwirkung zu meinen schien.
[103] BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, ZIP 2014, 1369 (Nr. 89): "Auch stellt sich die Klausel nicht als angemessen dar."
[104] Siehe aber RegE für ein "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" v. 18.5.2016, BT-Drucks 18/8486, Begr. BT, S. 37: wenn "ausnahmsweise als angemessen angesehen werden kann" (unter Verw. auf die BGH-Rspr.).
[106] So Westermann, JZ 2001, 535 f.; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn 29.
[107] Siehe nur Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem RegE "zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung", BT-Drucks 18/8486, S. 45 f., wo "Handelsgewohnheiten oder Bräuche i.S.d. § 310 Abs. 1 S. 2 BGB" als Gegenkraft zur Indizwirkung geprüft werden.

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