aa) Typischer Sachverhalt
Rz. 214
Der Bauherr (oder Generalunternehmer) eines Großprojekts wünscht, dass in den Vertragsbedingungen "harte" Vertragsstrafen für alle Terminüberschreitungen vorgesehen werden. Da zahlreiche Gewerke vergeben werden müssen, sollen diese Bedingungen einheitlich vorgegeben werden.
bb) Rechtliche Grundlagen
Rz. 215
Der BGH hat seit dem Urt. v. 23.1.2003 zahlreiche Anforderungen an Vertragsstrafen-Regelungen in AGB aufgestellt. Es sind folgende Eckpunkte hervorzuheben:
(1) Verschuldensabhängigkeit der Pönale
Rz. 216
Eine Pönale darf in AGB in aller Regel nicht von einem Verschulden des Schuldners abgekoppelt sein, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Verschuldensunabhängigkeit darf gegenüber Unternehmern bei der Vertragsstrafe nur abbedungen werden, wenn dies durch höhere Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist oder durch Gewährung rechtlicher Vorteile ausgeglichen wird. Solches kann nur für eine (typische) Konstellation beurteilt werden, für die der Verwender eine solche Klausel beabsichtigt.
Das Verschuldens-Erfordernis ist jedoch erfüllt, wenn in der Klausel auf "Verzug" abgestellt wird, was dem Verwender über § 286 Abs. 4 BGB denselben Effekt bringt. Das Abstellen auf bloße "Terminüberschreitung" würde hingegen z.B. auch den Fall der höheren Gewalt dem Schuldner aufbürden, was unzulässig ist. Soweit auf den Vertrag jedoch die VOB/B Anwendung findet, ist nach Ansicht des BGH das Verschuldenserfordernis i.d.R. durch die Geltung des § 11 Nr. 2 VOB/B ("Verzug") gegeben, auch wenn die Pönaleregelung nur von "Überschreitung des… Termins" oder "Verspätung" spricht. Dies soll allerdings nicht gelten, wenn die VOB/B nachrangig vereinbart ist und das vorrangige Dokument (ggf. auch das Vergabeprotokoll etc.) eine Vertragsstrafe ohne Verschuldenserfordernis vorsieht. Vor allem dann also, wenn das vorrangige Dokument den Eindruck erweckt, die Pönale müsse u.U. auch ohne Verschulden gezahlt werden (z.B. mittelbar durch die Regelung: keine Fristverlängerung wegen Witterungseinflusses).
(2) Höhe der Pönale
Rz. 217
Die Pönaleregelung muss folgende Begrenzungen in der Klausel selbst vorsehen (und nicht lediglich in einer Fußnote):
▪ |
Eine Pönale für Bauverträge darf pro Werktag (oder Arbeitstag) einen Wert von 0,3 % der Auftragssumme (siehe sogleich) wohl nicht übersteigen. Beziehen sich pönalisierte Termine auf Bauabschnitte, aber nicht auf das gesamte Gewerk, so sollte die Pönale sich nur auf die anteilige Auftragssumme beziehen (zur "Kumulierung" der Pönale siehe sogleich). |
▪ |
Maximaler Pönalewert: Der BGH hat in seiner wichtigen Entscheidung vom 23.1.2003 eine Höchstsumme bei 5 % der Auftragssumme festgelegt, weil die Pönale nur ein Druckmittel sei und nicht über den Gewinn des Auftragnehmers hinausgehen dürfe. Diese Grenze gilt unabhängig vom jeweiligen Auftragsvolumen. |
Die Prozentbeträge sind i.d.R. auf die "Auftragssumme" bezogen. Auch wenn der BGH meist auch nur von "Auftragssumme" spricht ohne hierbei zu differenzieren, empfiehlt sich zur Vermeidung von Problemen die Klarstellung "Netto-Auftragssumme". Auch muss klar sein, welche Auftragssumme gemeint ist. Wenn ausnahmsweise unklar ist, ob die ursprünglich vereinbarte oder die bei der Abwicklung sich (aufgrund von Änderungen, Nachträgen usw.) ergebende Summe maßgeblich sein soll, kann die Klausel unwirksam sein. Zudem kann eine Kumulierung von Vertragsstrafen zur Unangemessenheit nach § 307 führen, wenn mehrere (Zwischen-)Termine pönalisiert sind und schon nach kurzer Zeit aufgrund der Einzelvertragsstrafen der Maximalbetrag erreicht werden kann. Denn der beim ersten Zwischentermin entstehende Verzug als solcher kann auch bei den folgenden Zwischen-/Endterminen zu weiteren Vertragsstrafen führen. Bei Zwischenterminen muss sich die Höhe der Pönale – wegen des Verbots der Kumulierung – an dem Auftragswert der Leistungen, auf die sich die Zwischentermine beziehen, orientieren, wobei pro Zeiteinheit eine Größenordnung von nur 0,15 % pro Tag (noch) angemessen sein soll. Pönaleklauseln können "terminsneutral" gestaltet werden, wenn in einer anderen, in Bezug genommenen Klausel die pönalisierten Termine jeweils in einem eigenen Unterabsatz aufgelistet werden, weil dieses bei inhaltlicher, optischer und sprachlicher Trennbarkeit von der Vertrags...