Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 1
Das Institut der Testamentsvollstreckung wurzelt im germanischen Rechtskreis und wirkt daher im vom römischen Recht geprägten Erbrechtssystem ein wenig als "struktureller Fremdkörper". Der Vorläufer der Testamentsvollstreckung beruhte auf Eigentumserwerb des Testamentsvollstreckers am Nachlass und damit auch auf dessen Haftungszuständigkeit, wie es die Parallelkonstruktion des angelsächsischen trust auch heute noch vorsieht. Die Testamentsvollstreckung im Bürgerlichen Gesetzbuch hingegen belässt das Eigentum beim Erben und erkennt dem Vollstrecker die – vom Grundsatz her sehr weitreichende – Verfügungsbefugnis über den Nachlass zu.
Die Testamentsvollstreckung hat in Deutschland eine lange Tradition. In Ziffer 33 seines Testamentes vom 8.1.1769 ordnete der Preußen-König Friedrich II. Testamentsvollstreckung an und ernannte zum Testamentsvollstrecker den Herzog Karl von Braunschweig, "von dessen Freundschaft, Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit" er sich versprach, dass er die Ausführungen seines letzten Willens übernehmen würde.
Die großen Testamentsvollstreckungen der deutschen Neuzeit sind mit Namen wie Krupp, Springer, Dornier und Sachs verbunden. Über Presseberichterstattungen werden auch Formen internationaler Testamentsvollstreckungen, zumeist bei Prominenten, einem breiteren Publikum bekannt.
Hieraus die Schlussfolgerung zu ziehen, die Testamentsvollstreckung sei nur etwas für politische Regenten oder Wirtschaftsbosse, greift jedoch entschieden zu kurz. So empfiehlt beispielsweise die Deutsche Krebshilfe in einer Broschüre ausdrücklich, die Testamentsvollstreckung durch einen Fachmann anzuordnen, um die dem letzten Willen entsprechende Abwicklung des Nachlasses sicherzustellen. Auch das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer weist auf die Vorzüge einer Testamentsvollstreckung hin. Insbesondere die Sachkunde des Testamentsvollstreckers wird hervorgehoben, die vor allem für geschäftlich unerfahrene Erben interessant sei.
An derartigen öffentlichen Äußerungen gilt es anzuknüpfen, wenn es darum geht, Mandanten den Sinn und Zweck der Testamentsvollstreckung nahe zu bringen.
Auch der Hinweis auf das Verhalten anderer Menschen mag helfen. Für den Zeitraum 2015 bis 2024 wird die Höhe einer durchschnittlichen Erbschaft mit ca. 363.000 EUR taxiert. Bei diesen Vermögenswerten steigt die Quote der angeordneten Testamentsvollstreckungen nach empirischen Untersuchungen auf über 30 % und der Anteil der zu Testamentsvollstreckern bestimmten Fachleuten auf 85,7 %.