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Das Institut der Testamentsvollstreckung wurzelt im germanischen Rechtskreis[1] und wirkt daher im vom römischen Recht geprägten Erbrechtssystem ein wenig als "struktureller Fremdkörper".[2] Der Vorläufer der Testamentsvollstreckung beruhte auf Eigentumserwerb des Testamentsvollstreckers am Nachlass und damit auch auf dessen Haftungszuständigkeit, wie es die Parallelkonstruktion des angelsächsischen trust auch heute noch vorsieht.[3] Die Testamentsvollstreckung im Bürgerlichen Gesetzbuch hingegen belässt das Eigentum beim Erben und erkennt dem Vollstrecker die – vom Grundsatz her sehr weitreichende – Verfügungsbefugnis über den Nachlass zu.[4]

Die Testamentsvollstreckung hat in Deutschland eine lange Tradition.[5] In Ziffer 33 seines Testamentes vom 8.1.1769 ordnete der Preußen-König Friedrich II. Testamentsvollstreckung an und ernannte zum Testamentsvollstrecker den Herzog Karl von Braunschweig, "von dessen Freundschaft, Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit" er sich versprach, dass er die Ausführungen seines letzten Willens übernehmen würde.[6]

Die großen Testamentsvollstreckungen der deutschen Neuzeit sind mit Namen wie Krupp, Springer, Dornier und Sachs verbunden.[7] Über Presseberichterstattungen werden auch Formen internationaler Testamentsvollstreckungen, zumeist bei Prominenten, einem breiteren Publikum bekannt.[8]

Hieraus die Schlussfolgerung zu ziehen, die Testamentsvollstreckung sei nur etwas für politische Regenten oder Wirtschaftsbosse, greift jedoch entschieden zu kurz. So empfiehlt beispielsweise die Deutsche Krebshilfe in einer Broschüre ausdrücklich, die Testamentsvollstreckung durch einen Fachmann anzuordnen, um die dem letzten Willen entsprechende Abwicklung des Nachlasses sicherzustellen. Auch das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer weist auf die Vorzüge einer Testamentsvollstreckung hin. Insbesondere die Sachkunde des Testamentsvollstreckers wird hervorgehoben, die vor allem für geschäftlich unerfahrene Erben interessant sei.[9]

An derartigen öffentlichen Äußerungen gilt es anzuknüpfen, wenn es darum geht, Mandanten den Sinn und Zweck der Testamentsvollstreckung nahe zu bringen.[10]

Auch der Hinweis auf das Verhalten anderer Menschen mag helfen. Für den Zeitraum 2015 bis 2024 wird die Höhe einer durchschnittlichen Erbschaft mit ca. 363.000 EUR taxiert.[11] Bei diesen Vermögenswerten steigt die Quote der angeordneten Testamentsvollstreckungen nach empirischen Untersuchungen auf über 30 % und der Anteil der zu Testamentsvollstreckern bestimmten Fachleuten auf 85,7 %.[12]

[1] Muscheler, Haftungsordnung § 1 I, 2.
[2] Siehe hierzu Muscheler, Haftungsanordnung, § 1 I, 2 sowie MüKo/Brandner, vor § 2197 Rn 1. Allerdings kannte das römische Recht der XII Tafeln durchaus die dem Testamentsvollstrecker ähnliche Stellung des familiae emptor, zuerst als die eines Vollrechtserwerbers, dann als die eines Fremdverwalters oder "Vermittlers", vgl. hierzu Manthe, Geschichte des römischen Rechts, 4. Aufl. 2011, II 5, 51 f. und Bretone, Geschichte des römischen Rechts, 1992, IV 2, 86.
[3] Muscheler, Haftungsanordnung, § 1 I, 2 und § 2 I, 18.
[4] Instruktiv zur Geschichte der Testamentsvollstreckung Schwab, Testamentsvollstreckung in Europa, 2018, 1–4.
[5] Ähnliches gilt für Österreich ("Vollzieher" oder "Exekutor") und die Schweiz ("Willensvollstrecker").
[6] Reimann, FamRZ 1995, 588.
[7] Vgl. Reimann, FamRZ 1995, 588.
[8] Als Beispiel kann hier die Berichterstattung "Rätsel um James Browns Leichnam", GAZ 11.1.2007, S. 32 u. 25.1.2007, S. 36 dienen. Der Soulsänger hatte gleich mehrere Testamentsvollstrecker eingesetzt, die wegen des Streits der sechs Erben den Ort der Beisetzung festlegen sollten und hierzu den Leichnam zunächst an einen geheim gehaltenen Ort verbrachten. Derartige Erblasserwünsche umsetzen zu müssen, erscheint auch in Deutschland nicht undenkbar, erfordert aber neben präziser Testamentsvollstreckeranordnung auch unbedingt begleitende Regelungen, i.d.R. Vollmachten. Weitere interessante Beispiele finden sich bei Neukirchen, Testamentsvollstrecker – Die stille Macht, 2015.
[9] www.testamentsregister.de/testament/gestaltungsinstrumente/testamentsvollstreckung.
[10] Zwar wurden hin und wieder Stimmen laut, die vor Testamentsvollstreckungen warnten (vgl. Manager-Magazin 1991, 118, zitiert nach Reimann, FamRZ 1995, 588, Fn 7). Auch hier hat sich ein Umdenkungsprozess ergeben. Bereits in seiner Ausgabe 03/2009, S. 58–64 sieht das manager magazin auch die positiven Aspekte der Testamentsvollstreckung. Die große Machtfülle, mit der der deutsche Gesetzgeber den Testamentsvollstrecker ausgestattet hat, ist kein Manko, sondern das ganz große Plus der Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht, das dieses Institut in Europa so einzigartig macht. Die Machtfülle sinnvoll für die Interessen des Mandanten einzusetzen, kann nur ein weiteres Argument für die Notwendigkeit der fachmännischen Gestaltung der Testamentsvollstreckeranordnung und die Ausübung des Amtes durch einen Fachmann sein.
[11] Erben in Deut...

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