Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Grundsatz der (nur) eingeschränkten Kontrolle durch den Erben
Rz. 5
Für seine Amtsführung wird der Testamentsvollstrecker in praktisch keinem europäischen Rechtskreis mit einer so großen Machtfülle ausgestattet wie im deutschen Recht. Der Gesetzgeber hat großen Wert auf die rein private Ausgestaltung der Testamentsvollstreckung gelegt. Anders als Nachlasspfleger, Betreuer, Vormünder oder Insolvenzverwalter unterliegt er grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle. Dieser Unterschied vermag nur auf den ersten Blick zu verwundern. Während es sich bei jenen um gerichtlich eingesetzte Vermögensverwalter handelt, bestimmt der Erblasser die Person des Testamentsvollstreckers selbst. Im Rahmen der ihm grundgesetzlich garantierten Testierfreiheit ist es ihm nicht nur möglich, die Person zu bestimmen, die seinen Nachlass erhält, sondern auch die Rahmenbedingungen, unter denen sie über den Nachlass verfügen darf. Eine Mindestbeteiligung am Nachlass gibt es nach dem deutschen Rechtsverständnis nur für eine beschränkte Gruppe von Pflichtteilsberechtigten. Aber auch hier geht das moderne gesellschaftliche Verständnis dahin, die Einschränkungen der Testierfreiheit des Erblassers durch das Pflichtteilsrecht zurückzunehmen, wie insbesondere die zum 1.1.2010 in Kraft getretene Erbrechtsreform zeigt. Selbst eine im Einzelfall über 30 Jahre hinausgehende Dauertestamentsvollstreckung verstößt nicht gegen die Erbrechtsgarantie. Sie ist im Gegenteil Voraussetzung für so segensreiche Gestaltungen wie das Behinderten- oder Bedürftigentestament.
Rz. 6
Die starke Stellung des Testamentsvollstreckers erscheint daher, auch wenn sie den Laien immer wieder überraschen mag, systemgerecht. Die Wissenschaft hebt die Bedeutung der Testamentsvollstreckung im Gesamtgefüge des Erbrechts daher zu Recht klar hervor:
Zitat
"Was die Gesamthand der §§ 2032 ff. an Schwerfälligkeit in die Nachlassauseinandersetzung bringt, das gleicht auf der Ebene der erbrechtlichen Institute die Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff.) aus. Der liberale Gesetzgeber des BGB hat großen Wert auf die rein private und damit staatsfreie Ausgestaltung der Testamentsvollstreckung gelegt und er hat, beträchtlich über andere kontinentaleuropäische Rechtsordnungen hinausgehend, die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers in sachlicher und zeitlicher Hinsicht soweit wie irgend möglich ausgedehnt, als Ausgleich für eine schwach ausgeprägte staatliche Nachlassfürsorge, fehlendes Trustrecht und die durch die Gesamthandskonstruktion verursachte Inflexibilität der Erbengemeinschaft. Damit beherrscht der persönliche Vertrauensmann des Erblassers mit weitreichenden Kompetenzen die deutsche Nachlassabwicklung, nicht das Nachlassgericht, nicht ein von diesem ernannter Fremdverwalter, nicht eine Behörde, nicht der testamentsvollstreckungsunterworfene Erbe, nicht ein sonstiger Nachlassbeteiligter. Über den Testamentsvollstrecker vermag die Individualität des Erblassers, vermögen seine Ideen, Wertvorstellungen, Maximen und Haltungen, aber auch seine Eigentümlichkeiten, Schrullen und Vorurteile noch Jahrzehnte nach dem Erbfall auf die Verwaltung des Nachlasses, auf die Auskehrung der Erträge und damit mittelbar auf das personale Verhalten der Erben Einfluss zu nehmen."
2. Kardinalpflichten des Testamentsvollstreckers
Rz. 7
Der Erbe ist dem Testamentsvollstrecker gegenüber jedoch nicht rechtslos gestellt. Dessen Kardinalpflichten ergeben sich aus §§ 2215–2219 BGB. Sie sind gemäß § 2220 BGB weitgehend zwingend, können also auch nicht durch den Erblasser selbst außer Kraft gesetzt werden. Der Testamentsvollstrecker ist also immer zur Verzeichniserstellung und ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet und dem Schenkungsverbot unterworfen. Auch die Haftung kann ihm nicht erlassen werden. Umgehungstatbestände, wie die Zuwendung eines Vermächtnisses in gleicher Höhe wie die Haftungsverpflichtungen sind unwirksam. Die Regelungen zur Testamentsvollstreckung werden als gesetzliches Schuldverhältnis angesehen.
3. Behandlung von Interessenkonflikten
Rz. 8
Rechtliche Interessenkonflikte zwischen Erben und Testamentsvollstrecker treten in der Praxis nicht selten auf. Der Grund liegt zumeist in einer Gestaltung der Testamentsvollstreckung, die diese Situationen nicht vorhergesehen und bspw. durch die Berufungsmöglichkeit eines Mit- oder Nebenvollstreckers nicht gelöst hat.
Die Behandlung von Interessenkonflikten ist im Gesetz nicht geregelt. Anders als im Vormundschaftsrecht fehlt eine dem § 1796 BGB vergleich...