Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 9
Die Zwangsvollstreckung beginnt mit dem Antrag des Vollstreckungsgläubigers, der Herr des Verfahrens ist und dem Beginn, Art, Ausmaß und Ende der Vollstreckung zu bestimmen obliegt. Anzurufen ist das funktionell zuständige Vollstreckungsorgan. Ist der Gerichtsvollzieher das zuständige Vollstreckungsorgan, so kann der Gläubiger den Antrag nach § 753 Abs. 2 ZPO auch über die Verteilungsstelle des AG, in dessen Bezirk der Auftrag auszuführen ist, übermitteln. Eine solche Verteilungsstelle ist bei jedem AG mit mehr als einem Gerichtsvollzieher zur Entgegennahme und Weiterleitung von Vollstreckungsaufträgen gebildet (§ 22 GVO). Der Gläubiger kann auch bei der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gem. §§ 753 Abs. 2 i.V.m. § 764 ZPO beantragen, seinen Auftrag an den zuständigen GV zu vermitteln. Ein solcher Vermittlungsantrag kann bei der Geschäftsstelle eines jeden AG zu Protokoll abgegeben werden; das Protokoll ist an die Geschäftsstelle des zuständigen Vollstreckungsgerichts gem. § 129a ZPO zu übersenden. Die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gibt den Auftrag an die Verteilungsstelle oder an den Gerichtsvollzieher (wenn eine Verteilungsstelle nicht eingerichtet ist) weiter (§ 22 Abs. 2 GVO). Ist der Auftrag, dessen Vermittlung bei der Geschäftsstelle eines Vollstreckungsgerichts beantragt ist, nicht im Bezirk dieses AG auszuführen, so ersucht die angegangene Geschäftsstelle diejenige des zuständigen Vollstreckungsgerichts um die begehrte Mitwirkung bei der Beauftragung des zuständigen Gerichtsvollziehers. Auch dies gilt bei einem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Rz. 10
Der Antrag bedarf grundsätzlich keiner Form. Dieser Grundsatz erfährt allerdings insoweit eine Durchbrechung als der Gesetzgeber gem. § 753 Abs. 3 ZPO das Bundesministerium der Justiz ermächtigt hat, mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung verbindliche Formulare einzuführen. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium der Justiz Gebrauch gemacht. Danach galt zum 22.12.2022 die zum 1.9.2012 in Kraft getretene Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV), die verbindliche Formulare für den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses, eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen und eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen gewöhnlicher Geldforderungen vorsah. Mit der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung (GVFV) wurde zum 1.4.2015 der verbindliche Auftrag an den Gerichtsvollzieher eingeführt. Zum am 22.12.2022 trat die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) Kraft. Sie ist damit seitdem geltendes Recht und die Formulare können und müssen nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 ZVFV ab dem 1.12.2023 benutzt werden. Inzwischen wurde mit der Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 24.11.2023 (nachfolgend 1. ÄndVO ZVFV) der Termin zur Verbindlichkeit der Formulare vom 1.12.2023 auf den 1.9.2024 verschoben. Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung wurden im Layout neue Formulare mit einer überschaubaren Zahl von Änderungen eingeführt (nachfolgend 2. ÄndVO ZVFV). Diese Formulare dürfen ab dem 1.9.2024 und müssen ab dem 1.10.2025 genutzt werden. Gleichzeitig können die "alten" Formulare nach der ZVFV 2012 und der GVFV 2015 nach Maßgabe des § 6 ZVFV 2022 noch – nach der 1. ÄndVO ZVFV – bis zum 30.8.2024 genutzt werden.
Rz. 11
Gewahrt wird der Formularzwang durch kumulative Verwendung der von § 1 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 ZVFV benannten Formulare. Dem Vollstreckungsauftrag im engeren Sinne (Anlage 1 ZVFV) ist beizufügen eine Forderungsaufstellung (Anlage 6 ZVFV). Durch vollständiges und gestaltungsgemäßes Ausfüllen des Vollstreckungsauftrags im engeren Sinne wird grundsätzlich den allgemeinen Anforderungen an einen Vollstreckungsauftrag genügt. Daneben verschärft § 2 Abs. 2 ZVFV i.V.m. Anlage 6 ZVFV die allgemeinen Anforderungen insoweit, als zwingender Bestandteil des Vollstreckungsauftrags eine formularmäßige Forderungsaufstellung ist. In dieser ist der zu vollstreckende Betrag anzugeben und z.B als Restforderung zu qualifizieren. Eine Pflicht, den zur Restforderung führenden Rechenweg darzustellen (Abgabe von Teilzahlungen und ihrer Verrechnung), folgt hieraus aber nicht.
Rz. 12
Der sog. Formularzwang bewirkt, dass der Vollstreckungsauftrag, soweit nicht wegen § 753 Abs. 4, Abs. 5 ohnehin die Anforderungen des § 130a ZPO zu erfüllen sind, einer Unterschrift bedarf. Eine eingescannte Unterschrift reicht nicht. Soweit gegen ein Unterschriftserfordernis angeführt wird, dieses werde durch den Zweck des Formularzwangs nicht geboten, wird die mit einem Unterschriftserfordernis verbundene Rationalisierung der Erfassung von Ernsthaftigkeit und Authentizität eines Antrags übersehen. Ausreichend ist aber eine Unterschriftskopie im Fall der Vervielfältigung des mit einer Originalunterschrift versehenen Formulars, z.B. Faxversand, nicht dagegen eine in das Antragsoriginal...