Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 379
Bei Zug-um-Zug-Titeln wird die einfache Vollstreckungsklausel ohne Prüfung erteilt, ob der Gläubiger die Gegenleistung erbracht hat (Ausnahme: Abgabe von Willenserklärungen, § 726 Abs. 2 ZPO). Der Gläubiger muss die Gegenleistung aber zum Beginn der Vollstreckung erbracht oder verzugsbegründend angeboten haben. Daher haben die Vollstreckungsorgane nach den §§ 756, 765 ZPO vor Beginn der Zwangsvollstreckung zu prüfen, ob die Gegenleistung erbracht ist oder der Schuldner sich im Verzug der Annahme befindet.
Rz. 380
Tipp
Bei Klagen auf Leistung, deren Erfüllung von einer Gegenleistung abhängt (bspw. bei Wandelung eines Kaufvertrages und Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises), sollte der Schuldner schon vor Erhebung der Klage in Verzug gesetzt werden. Der Gläubiger kann dann mit der Klage mittels eines entsprechender Feststellungsantrages verlangen, dass das Gericht feststellt, dass sich der Schuldner in (Annahme-)Verzug befindet. Somit kann er im Falle des Obsiegens unmittelbar die Zwangsvollstreckung einleiten, da die Feststellung des Annahmeverzuges im Tenor ein Nachweis mittels öffentlicher Urkunde ist.
Rz. 381
Es ist nicht ausreichend, dass sich der Annahmeverzug des Schuldners lediglich aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt, da den Vollstreckungsorganen keine materiell-rechtliche Prüfung obliegt, soweit sie die Voraussetzung des Annahmeverzugs nicht durch ein eigenes tatsächliches oder wörtliches Angebot schaffen. Anderes kann also nur dann gelten, wenn sich der Annahmeverzug in einer einem Feststellungstenor entsprechenden Art und Weise aus dem Urteil, d.h. ohne weiteres und eindeutig, ergibt.
Rz. 382
Im Fall der Vollstreckung durch das Vollstreckungsgericht, das Prozessgericht und das Grundbuchamt muss der Gläubiger die Befriedigung oder den Annahmeverzug des Schuldners durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen. Darüber hinaus muss er diese Urkunde zustellen (§ 765 Nr. 1 ZPO), es sei denn, der Gerichtsvollzieher hatte bereits mit der Zwangsvollstreckung begonnen (§ 765 Nr. 2 ZPO). Das führt zu einer gewissen Vorleistungspflicht.
Rz. 383
Wann im Übrigen ein ordnungsgemäßes Angebot vorliegt, bestimmt sich nach dem materiellen Recht.
Rz. 384
Bring- und Schickschulden muss der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise anbieten, d.h. er muss sie so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten (§ 294 ZPO). Dies kann mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, wenn der Gläubiger etwa eine Werkleistung oder Sachen schuldet, deren Anlieferung einen zeit- und kostenaufwendigen Transport erfordert. Dies gilt insbesondere, wenn sich das Angebot dann als nutzlose Aufwendung darstellt, weil die Vollstreckung durch den Gläubiger nicht zum gewünschten Erfolg führt.
Rz. 385
Eine Ausnahme vom tatsächlichen Angebot macht das materielle Recht bei Holschulden. In diesem Fall genügt nach § 295 S. 1 Alt. 2 BGB ein wörtliches Angebot an den Schuldner. Dies muss das Vollstreckungsrecht nachvollziehen. Insoweit genügt ein entsprechendes wörtliches Angebot durch den Gerichtsvollzieher, die Sache beim Gläubiger abzuholen.
Rz. 386
Die Gegenleistung wörtlich so angeboten oder erbracht worden sein wie im Titel beschrieben (bei Gattungsschuld: Gegenstand von mittlerer Art und Güte, § 243 BGB, und bei Stückschuld so, wie im Titel beschrieben). Die Zug-um-Zug geschuldete Leistung muss so angeboten sein, dass der Schuldner nur noch zuzugreifen braucht. Der Gerichtsvollzieher prüft lediglich die Identität der Gegenleistung, nicht deren Ordnungsgemäßheit und auch nicht deren Mangelhaftigkeit.
Rz. 387
Hinweis
Der Gerichtsvollzieher muss sich nur dann von der Bereitstellung der Gegenleistung beim Gläubiger überzeugen, wenn der Schuldner die fehlende Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit des Gläubigers oder aber die Mangelhaftigkeit der Gegenleistung rügt.
Ausnahmsweise darf die Zwangsvollstreckung ohne ein tatsächliches Angebot der Gegenleistung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Vollstreckungsorgans erklärt, dass er die Gegenleistung nicht annehmen werde, §§ 756 Abs. 2, 765 Nr. 2 ZPO.
Rz. 388
Die volle Gegenleistung ist auch im Falle der Teilvollstreckung anzubieten. Die Zwangsvollstreckung nach § 756 ZPO ist gemäß Abs. 1 Alt. 2 zulässig, wenn der Gläubiger die Befriedigung des Schuldners bzw. den Annahmeverzug durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachweist, die dem Schuldner bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Dazu gehören öffentlich beglaubigte Quittungen, Gerichtsvollzieherprotokolle, Akteninhalt einer Gerichtsakte und Urteile, wenn dort bereits festgestellt wurde, dass sich der Schuldner im Annahmeverzug befindet.