Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 293
Grundsätzlich erhält der Gläubiger nur eine vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels. Nach § 733 ZPO kann dem Vollstreckungsgläubiger unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere Ausfertigung der Klausel erteilt werden. Die Vorschrift soll den Schuldner vor der mehrfachen Zwangsvollstreckung aus demselben Titel schützen. Andererseits soll sie einer effektiven Durchsetzung des vollstreckbaren Anspruchs dienen. Insoweit ist im konkreten Einzelfall ein Ausgleich zu suchen.
Rz. 294
Zuständig für den Antrag auf eine weitere vollstreckbare Ausfertigung ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG) des Gerichtes der ersten Instanz, welches das zu vollstreckende Urteil erlassen hat. Dies gilt nach § 795 ZPO auch für die durch das Gericht erlassenen und in § 794 ZPO genannten Titel. Der Antrag ist formlos und es besteht kein Anwaltszwang (§ 78 Abs. 3 ZPO). Für notarielle Urkunden ist auf Veranlassung des Notars nach § 797 Abs. 3 ZPO eine Ermächtigung des Rechtspflegers bei dem Amtsgericht einzuholen, wo der Notar seinen Sitz hat.
Rz. 295
Für die Erteilung einer weiteren Vollstreckungsklausel müssen zunächst die Voraussetzungen der einfachen Klausel nach § 724 ZPO vorliegen. Des Weiteren muss der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer weiteren Klausel haben. Dies ist dann gegeben, wenn:
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der Gläubiger die erste erteilte Ausfertigung verloren hat oder sie in einer ihre Authentizität in Frage stellenden Form beschädigt ist; |
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die erste Ausfertigung dem Schuldner irrtümlich in der Annahme der vollständigen Erfüllung zurückgegeben wurde, im Falle der Teilerfüllung, Beschränkung der Klausel auf Restforderung; |
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der Gläubiger an mehreren Orten und auf mehrere Arten vollstrecken will; HinweisDas soll nicht gelten, wenn der Titel im Verfahren auf Abnahme der Vermögensauskunft eingereicht worden ist. Nach der Gleichstellung aller Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers in § 802a Abs. 2 ZPO besteht für eine solche Sicht der Dinge aber kein Anlass. Es muss dem Gläubiger möglich sein, gleichzeitig auf Vermögenswerte des Schuldners zuzugreifen und – wenn anzunehmen ist, dass dadurch nicht die gesamte Vollstreckungsforderung ausgeglichen wird – weiteres Einkommen und Vermögen nach §§ 802c und d ZPO zu ermitteln. |
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ein Gesamtgläubiger oder ein Mitgläubiger eines unteilbaren Anspruchs gesonderte Ausfertigung zur selbstständigen Vollstreckung gegen den Schuldner hat. |
Rz. 296
Bei Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite findet § 733 ZPO Anwendung, wenn der Rechtsnachfolger bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erhalten hat und die zuerst erteilte Ausfertigung nicht zurückgegeben wurde. Im Falle der Rückgabe richtet sich die Neuerteilung der Klausel nach § 724 ZPO. Im Übrigen ist es bei der Rechtsnachfolge irrelevant, ob die alte Ausfertigung eingezogen und eine neue erteilt wird oder die Rechtsnachfolge auf der ursprünglichen Ausfertigung des Titels vermerkt wird.
Rz. 297
Ein entgegenstehendes Interesse des Schuldners ist beachtlich, wenn konkrete Anhaltspunkte den Schluss zulassen, dass der Gläubiger doppelt vollstrecken will. Materiell-rechtliche Einwendungen des Schuldners muss dieser nach § 767 ZPO geltend machen (siehe § 14).
Rz. 298
Eine Anhörung des Schuldners nach § 733 Abs. 1 ZPO ist nicht zwingend, und sollte in der Regel unterbleiben, da dies den Vollstreckungserfolg des Gläubigers gefährden kann. Entsprechend ist der Antrag auszurichten. Es obliegt dann dem Schuldner, im Wege der Erinnerung die konkrete Gefahr einer Doppelvollstreckung geltend zu machen. Es ist immer auf eine Anhörung zu verzichten, wenn ein besonderes Eilinteresse des Gläubigers vorliegt, was von diesem darzulegen ist.
Rz. 299
Das berechtigte Interesse des Gläubigers an der Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist glaubhaft zu machen im Sinne des § 294 ZPO. Das besondere Interesse des Gläubigers kann auch darin liegen, einen Überraschungseffekt zu erzielen, dementsprechend sollte bei einem geplanten gleichzeitigen Vollstreckungszugriff bei Beantragung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung darauf hingewiesen werden.
Bei Verlust kann anwaltliche Glaubhaftmachung ausreichen.
Rz. 300
Rechtsmittel für den Gläubiger im Falle der Ablehnung ist die sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 ZPO, soweit der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gehandelt hat, die sofortige Erinnerung nach § 573 ZPO. Der Schuldner kann die weitere vollstreckbare Ausfertigung mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO anfechten. Die Möglichkeit der Erteilung einer weiteren Ausfertigung beseitigt auch das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers an der Erhebung einer neuen Leistungsklage.
Rz. 301
Hinweis
Das Einholen einer weiteren Vollstreckungsklausel i.S.d. § 733 ZPO durch den Rechtsanwalt löst eine 0,3 Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus. Es handelt sich um eine besondere Angelegenheit (§ 18 Nr. 5 RVG). Gerichtskosten entstehen nach KV Nr. 2110 GKG.