Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 108
Die unbedingte Vollstreckbarkeit ist gegeben, wenn das Urteil formell rechtskräftig ist, § 705 ZPO, § 45 FamFG. Formell rechtskräftig werden Urteile, die von Anfang an unanfechtbar sind, weil jedes Rechtsmittel gegen sie ausgeschlossen ist, oder gegen die ein Rechtsmittel unzulässig ist oder nicht mehr eingelegt werden kann und die dadurch unanfechtbar werden. Im Falle der Einlegung der Gehörsrüge (§ 321a ZPO) wird der Eintritt der formellen Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist gegen und ohne Sicherheitsleistung möglich (§ 707 Abs. 1 ZPO).
Rz. 109
Rechtsmittel sind ausgeschlossen gegen folgende Urteile:
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Revisionsurteile des BGH; |
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Urteile der Oberlandesgerichte in Verfahren, die einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffen; |
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darüber hinaus sind dieser Gruppe Urteile und Beschlüsse zuzurechnen, bei denen beide Seiten einen wirksamen Rechtsmittelverzicht (§§ 515, 565 ZPO) erklärt haben. |
Rz. 110
Rechtsmittel sind unzulässig gegen folgende Urteile:
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Urteile, gegen die ein Rechtsmittel zwar grundsätzlich statthaft, aber unzulässig ist. Das Urteil wird dann erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig. Dazu gehören erstinstanzliche Urteile, bei denen keine Partei die Berufungssumme (600,00 EUR) erreicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; § 61 Abs. 1 FamFG) bzw. gegen die die Berufung nicht zugelassen wurde (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; § 61 Abs. 2 FamFG). |
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Berufungsurteile, die unter der Nichtzulassungsbeschwerdesumme von 20.000,00 EUR liegen (§ 26 Nr. 8 EGZPO) und bei denen die Revision nicht zugelassen wurde. Gleichwohl tritt die formelle Rechtskraft erst dann ein, wenn die Rechtsmittelfrist (des an sich bereits unzulässigen Rechtsmittels) abgelaufen ist. Erst dann kann auch der Rechtskraftvermerk (§ 706 ZPO, § 46 FamFG) erteilt werden. |
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Urteile und Beschlüsse, bei denen die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist. |
Rz. 111
Zu den ohne Bedingung vollstreckbaren Urteilen und Beschlüssen gehören auch die einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erlassenden Urteile.
Will der Mandant bei einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil die Sicherheitsleistung nicht erbringen, muss die Unanfechtbarkeit des Urteils abgewartet werden.
Beispiel
G hat gegen S Leistungsklage auf Zahlung von 4.500,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2.6.2024 vor dem Amtsgericht erhoben. Nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme verkündet das Gericht am 18.8.2024 ein Urteil, wonach S verurteilt wird, 4.500,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz an G zu zahlen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und wird am 21.8.2024 zugestellt.
Sie wollen nunmehr für Ihren Mandanten die Zwangsvollstreckung betreiben, nachdem der Schuldner auch nach Verkündung des Urteils nicht bezahlt. Die Zahlung der Sicherheitsleistung will ihr Mandant nicht erbringen. Aus diesem Grunde warten sie die formelle Rechtskraft des Urteiles bis zum 21.9.2024 ab. Diese weisen sie mit dem Rechtskraftzeugnis, § 706 ZPO, nach. Damit wird dem Schuldner allerdings auch die Gelegenheit gegeben, sich auf die kommende Vollstreckung vorzubereiten. Es kann sich deshalb empfehlen, zumindest die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO einzuleiten.