Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 4
Die in diesem Kapitel abgehandelten gemeinsamen Vorschriften (8. Buch, §§ 704–802 ZPO) und Grundsätze gelten für das gesamte Vollstreckungsverfahren und jede Vollstreckungsart.
Noch vor der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist zu überlegen, ob im Rahmen des vorgeschalteten vorläufigen Rechtsschutzes die künftige Zwangsvollstreckung gesichert wird. Dazu gehört der Arrest (§§ 916 ff. ZPO), der der Sicherung einer Zwangsvollstreckung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder einer Forderung, die in eine Geldforderung übergehen kann, dient. Ebenso dazu gehört die einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) in Form der Sicherung-, Regelungs- und Leistungsverfügung. Durch die Sicherungsverfügung soll verhindert werden, dass die Verwirklichung des Rechtes einer Partei wesentlich erschwert werden könnte. Durch die Regelungsverfügung wird das Rechtsverhältnis zwischen den beteiligten Parteien – einstweilig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache geregelt. Mit der Leistungsverfügung schließlich wird die vorläufige Befriedigung des Gläubigers erstrebt.
Rz. 5
Wenn der für den Mandanten erlangte Vollstreckungstitel vorliegt, muss überprüft werden, welche Fragen noch abzuklären sind, bevor die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird. Dazu die folgende
Checkliste: Prüfungsfragen zum Vollstreckungsbeginn
▪ |
Ist der vorliegende Titel wirksam (siehe §§ 310, 311, 317 ZPO)? |
▪ |
Ist der Titel lediglich vorläufig oder unbedingt vollstreckbar? |
▪ |
Handelt es sich um einen vollstreckbaren Titel? |
▪ |
Bedarf der Titel einer Vollstreckungsklausel und ist diese wirksam erteilt worden? |
▪ |
Sind die Parteien im Rubrum richtig bezeichnet? |
▪ |
Ist der Vollstreckungsschuldner im Hinblick auf die in Anspruch zu nehmende Vermögensmasse richtig bezeichnet (beispielsweise im Fall des Erbfalls nach Titelerlass)? |
▪ |
Bedarf der Titel der Zustellung und ist diese wirksam vorgenommen worden? |
▪ |
Ergeben sich aus dem Titel besondere Vollstreckungsvoraussetzungen (beispielsweise bei Verurteilung Zug um Zug)? |
▪ |
Hat der Mandant einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe? |
▪ |
Ist der Mandant rechtschutzversichert? |
Rz. 6
Nunmehr stellt sich die Frage nach der Vollstreckungsart. In folgenden Fällen der Zwangsvollstreckung ist die Vollstreckungsart gesetzlich vorgeschrieben, nämlich bei der Zwangsvollstreckung:
▪ |
zur Vornahme vertretbarer oder unvertretbarer Handlungen, §§ 887 f. ZPO (siehe dazu § 13), |
▪ |
aus Duldungs- und Unterlassungstiteln, § 890 ZPO (siehe dazu § 14), |
▪ |
aus Vollstreckungstiteln auf Herausgabe, §§ 883 ff. ZPO (siehe dazu § 12) sowie |
▪ |
zur Abgabe einer Willenserklärung, § 894 ZPO. |
Rz. 7
Die Wahl der Vollstreckungsart stellt sich lediglich im Rahmen der Durchsetzung von Zahlungstiteln. Dem Gläubiger steht dabei die Mobiliarzwangsvollstreckung wie die Immobiliarzwangsvollstreckung offen, sodass sich folgende Optionen ergeben:
▪ |
die gütliche Erledigung nach § 802b ZPO (siehe dazu § 3), |
▪ |
Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen des Schuldners, §§ 808 ff. ZPO (siehe dazu § 6), |
▪ |
die Forderungspfändung, §§ 828 ff. ZPO (siehe dazu §§ 7 und 8) und |
▪ |
die Eintragung einer Sicherungshypothek, §§ 866, 867 ZPO (siehe dazu § 9), |
▪ |
die Zwangsversteigerung (siehe dazu § 10) und |
▪ |
die Zwangsverwaltung (siehe dazu § 11). |
Rz. 8
Die Entscheidung wird letztlich davon abhängen, welche der Vollstreckungsarten die umfassende und schnelle Befriedigung der Ansprüche des Gläubigers gewährleistet.
Erforderlich für die Entscheidung ist die möglichst umfassende Kenntnis der Vermögensverhältnisse des Schuldners (siehe dazu § 1).
I. Vollstreckungsantrag
1. Antragsform
Rz. 9
Die Zwangsvollstreckung beginnt mit dem Antrag des Vollstreckungsgläubigers, der Herr des Verfahrens ist und dem Beginn, Art, Ausmaß und Ende der Vollstreckung zu bestimmen obliegt. Anzurufen ist das funktionell zuständige Vollstreckungsorgan. Ist der Gerichtsvollzieher das zuständige Vollstreckungsorgan, so kann der Gläubiger den Antrag nach § 753 Abs. 2 ZPO auch über die Verteilungsstelle des AG, in dessen Bezirk der Auftrag auszuführen ist, übermitteln. Eine solche Verteilungsstelle ist bei jedem AG mit mehr als einem Gerichtsvollzieher zur Entgegennahme und Weiterleitung von Vollstreckungsaufträgen gebildet (§ 22 GVO). Der Gläubiger kann auch bei der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gem. §§ 753 Abs. 2 i.V.m. § 764 ZPO beantragen, seinen Auftrag an den zuständigen GV zu vermitteln. Ein solcher Vermittlungsantrag kann bei der Geschäftsstelle eines jeden AG zu Protokoll abgegeben werden; das Protokoll ist an die Geschäftsstelle des zuständigen Vollstreckungsgerichts gem. § 129a ZPO zu übersenden. Die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gibt den Auftrag an die Verteilungsstelle oder an den Gerichtsvollzieher (wenn eine Verteilungsstelle nicht eingerichtet ist) weiter (§ 22 Abs. 2 GVO). Ist de...