Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 167
Der Schuldner/Gläubiger, der die Sicherheit geleistet hat, stellt einen Antrag auf Fristsetzung zur Freigabe der geleisteten Sicherheit bzw. Erhebung der Klage auf Herausgabe der Sicherheitsleistung durch den Gläubiger/Schuldner nach § 109 ZPO. Der Antrag wird zweckmäßigerweise zusammen mit dem Antrag auf Rückgabeanordnung/Erlöschen der Bürgschaft gestellt. Ein solcher Antrag kann auch auf das teilweise Erlöschen der Bürgschaft gerichtet sein, wenn eine zweitinstanzliche abändernde Entscheidung getroffen oder ein Vergleich geschlossen wird, der zur Übersicherung des Gläubigers führt.
Rz. 168
Örtlich und sachlich zuständig ist das Gericht, das die Sicherheitsanordnung getroffen bzw. zugelassen hat. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger gemäß § 20 Nr. 3 RPflG.
Der Antrag kann durch den Schuldner/Gläubiger selbst gestellt werden. Auch bei dem Landgericht oder Oberlandesgericht besteht kein Anwaltszwang (§ 78 Abs. 3 ZPO).
In dem Antrag ist darzulegen, warum der Anlass für die Sicherheitsleistung nunmehr entfallen ist, etwa. wenn ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil ergangen ist. Der Rechtskraftvermerk ist beizulegen oder zusammen mit dem Antrag auf Fristsetzung zur Freigabe bzw. Erhebung der Klage zu beantragen. Für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels reicht die Vorlage der die Klageabweisung bestätigenden Rechtsmittelentscheidung, wenn diese Entscheidung mit der Verkündung rechtskräftig wird.
Rz. 169
Das Gericht entscheidet über den Antrag nach (i.d.R. schriftlicher) Anhörung des Schuldners nach § 109 Abs. 3 ZPO durch Beschluss. Gegen den Beschluss kann die beschwerte Partei die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG einlegen. Gegen die darauf ergangene Entscheidung des Richters ist die sofortige Beschwerde gemäß §§ 109 Abs. 4, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben, wenn der Antrag abgelehnt wird.
Rz. 170
Der Zugriff auf die geleistete Sicherheit des Schuldners gestaltet sich wie folgt:
Beispiel
Es ergeht ein erstinstanzliches Urteil, welches den Schuldner zur Zahlung einer bestimmten Summe verurteilt. Das Urteil wird gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Schuldner hat die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung des Sicherheitsbetrages/Bürgschaft erbracht und Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Schuldners zurückgewiesen. Nunmehr will der Kläger/Gläubiger die Auszahlung der Sicherheitsleistung des Bürgen erreichen.
Rz. 171
Der Gläubiger hat die Möglichkeit, gegenüber dem Schuldner die Erklärung der Freigabe der Sicherheit gegenüber der Hinterlegungsstelle zu verlangen. Erklärt der Schuldner dies, kann der Gläubiger von der Hinterlegungsstelle die Herausgabe der Sicherheit verlangen. Verweigert der Schuldner die Freigabeerklärung, verbleibt dem Gläubiger nur die Klage auf Abgabe der Erklärung. Das klagestattgebende Urteil ersetzt nach Rechtskraft die geforderte Freigabeerklärung (§ 894 ZPO).
Rz. 172
Im Falle der Sicherheitsleistung durch Bürgschaft wendet sich der Gläubiger an den Bürgen und weist diesem gegenüber die Rechtskraft des Urteils nach und verlangt die Auszahlung der Bürgschaftssumme. Verweigert der Bürge die Auszahlung der Bürgschaftssumme, bleibt dem Gläubiger nur die Zahlungsklage gegen den Bürgen.
Rz. 173
Will der Schuldner Zugriff auf die Sicherheit des Gläubigers nehmen, gilt Folgendes:
Beispiel
Es ergeht ein erstinstanzliches Urteil, welches den Schuldner zur Zahlung einer bestimmten Summe verurteilt. Der Tenor lautet unter anderem: "Das Urteil wird gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet." Der Schuldner hat die Sicherheitsleistung erbracht und Berufung eingelegt. Der Gläubiger hat ebenfalls Sicherheitsleistung erbracht und vollstreckt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Schuldners das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Rz. 174
Der Berufungskläger/Schuldner erstrebt die Auszahlung der Sicherheitsleistung des Bürgen, auf die er wegen der Aufhebung des Urteils und seines daraus folgenden Anspruchs auf Rückzahlung der vollstreckten Summe einen Anspruch hat. Der Schuldner hat einen Anspruch auf Freigabeerklärung des Gläubigers gegenüber der Hinterlegungsstelle hinsichtlich der hinterlegten Summe/Bürgschaft, den er gegebenenfalls einklagen kann. Alternativ kann er den Bürgen unter den. dargelegten Voraussetzungen auf Auszahlung in Anspruch nehmen.
Rz. 175
Hinweis
Die Tätigkeit des Rechtsanwaltes bei der Rückgabe der Sicherheit ist durch die Verfahrensgebühren (Nr. 3100 ff. VV RVG) abgegolten (§ 19 Abs. 1 Nr. 7 RVG). Wenn der Anwalt nicht im vorangegangenen Verfahren tätig war, erhält er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG. Gerichtsgebühren fallen nicht an. Für die Anträge nach § 109 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO fallen keine Gebühren...