Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 189
§ 707 ZPO soll den Schuldner vor irreparablen Folgen der vollzogenen Zwangsvollstreckung schützen. Da aber grundsätzlich die Interessen des Gläubigers wegen des erstrittenen Titels Vorrang haben und er unter Umständen durch eine Verzögerung der Zwangsvollstreckung Nachteile erleidet, wenn der Schuldner vermögenslos wird, ermöglicht die Vorschrift des § 707 ZPO einen Interessenausgleich dadurch, dass die Zwangsvollstreckung auf Antrag des Schuldners – in der Regel gegen Sicherheitsleistung des Schuldners – vorläufig eingestellt werden kann.
Rz. 190
Anwendbar ist § 707 ZPO:
Rz. 191
Darüber hinaus findet § 707 ZPO kraft gesetzlicher Verweisung Anwendung im Falle der Berufung (§ 719 ZPO), des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid (§ 700 ZPO), im Rügeverfahren (§ 707 Abs. 1 ZPO), beim Widerspruch gegen einen Arrest (§ 924 Abs. 3 ZPO), bei einstweiligen Verfügungen (§ 936 ZPO), mit Ausnahme solcher, die auf ein Unterlassen gerichtet sind, und bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen nach § 1062 ZPO im Schiedsverfahren (§ 1065 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Rz. 192
Eine analoge Anwendung findet insbesondere statt bei Anträgen auf Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung nach § 927 ZPO oder § 926 Abs. 2 ZPO und schließlich bei einem Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.
Darüber hinaus findet sich in § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG eine Parallelvorschrift: Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Berufung oder Einspruch eingelegt werden können, sind gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar. Auch hier besteht die Möglichkeit eines Schutzantrages des Schuldners gegen die Vollstreckbarkeit. Durch die Regelung des § 62 Abs. 1 S. 3 ArbGG wird klargestellt, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Titel, dessen Bestand aufgrund der Einlegung eines besonderen Rechtsbehelfs mittlerweile zweifelhaft sein kann, bei einem drohenden und nicht zu ersetzenden Nachteil für den Schuldner immer ohne Sicherheitsleistung erfolgt und gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist.
Nicht zur Anwendung kommt § 707 ZPO bei der Abänderungsklage (§ 323 ZPO); dort kommt die einstweilige Anordnung gemäß § 769 ZPO in Betracht. Auch bei Klagen aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung kommt § 707 ZPO nicht zur Anwendung. Das gleiche gilt bei Vollstreckungen aus einem Unterhaltstitel, wenn die Vaterschaft angefochten wird.
Rz. 193
Der Antrag ist bei dem Gericht der Hauptsache einzulegen. Im Falle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dies das Gericht, welchem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht (§ 237 ZPO). Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens ist das Gericht zuständig, das im ersten Rechtszug das angefochtene Urteil erlassen hat (§ 584 ZPO). Im Falle des Einspruches gegen einen Vollstreckungsbescheid ergibt sich das zuständige Gericht für einen Antrag nach § 707 ZPO aus § 700 Abs. 3 ZPO.
Rz. 194
Anwaltszwang besteht nach Maßgabe des § 78 ZPO. Der Antrag muss schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Rz. 195
Weitere Voraussetzung für den Antrag ist, dass der nach dem Anwendungsbereich der Vorschrift in Frage kommende Rechtsbehelf – im Falle der unmittelbaren Anwendung des § 707 ZPO Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahmeantrag – beantragt worden ist bzw. der Rechtsstreit im Nachverfahren fortgesetzt wird.
Rz. 196
Der Schuldner muss ein Rechtsschutzbedürfnis haben. Dieses besteht bereits vor Beginn der Zwangsvollstreckung und vor Erteilung der Klausel, da der Schuldner keine Kenntnis über die Erteilung der Klausel erhält, und entfällt, wenn die Zwangsvollstreckung abgeschlossen ist. Bei einem nicht vollstreckbaren Urteil gelten die Rechtsbehelfe der §§ 732 bzw. 768 ZPO. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist auch für den Fall gegeben, dass der Gläubiger nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken darf. § 712 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 ZPO geht vor (der Schuldner ist zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage). Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch gegeben, wenn der Gläubiger nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann oder der Schuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden kann (§ 711 ZPO), da der Gläubiger im letztgenannten Fall diese Möglichkeit durch Zahlung eigener Sicherheitsleistung beseitigen und damit die Zwangsvollstreckung einleiten kann.
Rz. 197
Begründet ist der Antrag nach § 707 ZPO, wenn der eingelegte Rechtsbehelf hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das Gericht nimmt daher eine inzidente Prüfung des eingelegten Rechtsbehelfes vor. Dabei wird das Gericht in der Regel zwischen den wirtschaftlichen Int...