Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 355
Die §§ 722, 723 ZPO betreffen die Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Urteile, aus denen im Inland die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll. Die Vollstreckbarkeit wird durch ein deutsches Gericht nach Überprüfung durch Urteil erklärt.
Rz. 356
Die praktische Bedeutung der §§ 722, 723 ZPO ist der Zahl nach gering. Ihre Bedeutung findet sie vor allem im internationalen Handelsverkehr, etwa mit den USA oder Russland. Die Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Titel in der Regel durch bilaterale oder multilaterale Verträge geregelt ist, deren Vorschriften vorrangig sind. Dazu gehört insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (EVTVO), Art. 40 ff. EuEheVO, der Europäische Zahlungsbefehl und Art. 25 der Verordnung über die Anerkennung von Unterhaltstiteln (EuUnthVO).
In einem ersten Schritt ist daher zu überprüfen, ob es solche Vereinbarungen gibt und ob sie für den vorliegenden Titel Anwendung finden oder ob vorliegend nicht der einfachere Weg über die EVTVO und somit die §§ 1079 ff. ZPO vorrangig ist. Nur wenn diese Fragen zu verneinen sind, kommt eine Anwendung der §§ 722, 723 ZPO in Betracht. Die Vorschrift gilt nicht für Vergleiche, notarielle Urkunden und sonstige etwa nach ausländischen Rechtsordnungen mögliche Titel.
Rz. 357
Voraussetzung ist schließlich, dass die Vollstreckung nach den Bestimmungen des Achten Buches der Zivilprozessordnung ablaufen würde und nicht etwa nach denjenigen des Gesetzes über das familiengerichtliche Verfahren und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Unter den Begriff "Urteil" i.S.d. § 722 ZPO fallen auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse, den Vollstreckungsbescheiden entsprechende Akte und insolvenzrechtliche Titel.
Rz. 358
Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 722 Abs. 2 ZPO, wonach zuständig ist das Amts- bzw. Landgericht (sachliche Zuständigkeit gemäß §§ 23 Nr. 1, 23a, 23b, 27, 71 GVG), wo der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (örtliche Zuständigkeit gemäß §§ 12 ff. ZPO). Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit nach § 802 ZPO.
Rz. 359
Das ausländische Urteil muss ein Leistungstitel sein, der hinreichend bestimmt ist. Aktivlegitimiert ist der Gläubiger, sein Rechtsnachfolger oder der nach dem Vollstreckungstitel Begünstigte, der im Inland die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben will. Passivlegitimiert ist der Schuldner oder sein Rechtsnachfolger. Alleiniges Ziel der Klage ist, die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels im Inland zu erreichen. Dabei kann der Schuldner materiell-rechtliche Einwendungen geltend machen, die erst nach Rechtskraft des ausländischen Titels entstanden sind. Für die Kostenfestsetzung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel ist das AG als Vollstreckungsgericht zuständig.
Rz. 360
Die Rechtsanwaltsgebühren für das Prozessverfahren richten sich nach Nr. 3100 ff. VV RVG. Diese Gebühren erhält der Rechtsanwalt auch dann, wenn durch bilaterale oder multilaterale Abkommen ein vereinfachtes Verfahren – bspw. Beschlussverfahren – vorgesehen ist. Für Berufungs- bzw. Beschwerdeverfahren gelten die Nr. 3200 ff. VV RVG. Die Gerichtskosten bestimmen sich nach Hauptabschnitt 5 des KV Teil 1 GKG. Es gelten die Vorbemerkungen 1.5 und KV Nr. 1510–1520 GKG.