Rz. 42
Die Anrechnungstatbestände sind vielfältig: So ist nach § 34 Abs. 2 RVG die Gebühr für die Beratung auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit, die mit der Beratung zusammenhängt, anzurechnen. Vorbem. 2.3 Abs. 4 und 6 VV RVG sehen die Anrechnung einer Geschäfts- auf eine weitere Geschäftsgebühr vor und Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG die der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr. Dies sind nur einige wenige Beispiele. Auch die Höhe der Anrechnung differiert: Während sich die Gebühren an der einen Stelle nur teilweise reduzieren, gehen sie an anderer Stelle durch die Anrechnung vollständig ineinander auf.
Rz. 43
Eines haben jedoch alle gemeinsam:
Die Anrechnung setzt immer Gegenstandsidentität voraus. Eine Anrechnung zwischen verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten erfolgt nur, wenn und soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist. Der BGH nimmt dabei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor. Was Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in diesem Sinn ist, werde durch das Recht oder Rechtsverhältnis bestimmt, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des ihm erteilten Auftrags bezieht. Dabei sei bei der Bestimmung des Gegenstandes keine formale, sondern eine wertende Betrachtungsweise angezeigt und auf die wirtschaftliche Identität abzustellen. Liegt lediglich eine teilweise Identität vor, wird auch nur teilweise angerechnet – maßgeblich ist daher nur der Gegenstand, der auch tatsächlich übergegangen ist. Besondere Aufmerksamkeit ist deshalb bei der Auswechselung von Gegenständen geboten. Die Reihenfolge des Anfalls der Gebühren spielt keine Rolle – eine Anrechnung ist auch dann vorzunehmen, wenn zunächst die Verfahrens- und erst im Anschluss die Geschäftsgebühr anfällt.
Rz. 44
Gefordert wird zudem ein personeller Zusammenhang. Hat der Mandant zwischen zwei Angelegenheiten den Anwalt gewechselt, ist mangels Personenidentität keine Anrechnung vorzunehmen. Der zweite Anwalt braucht sich die vom ersten Anwalt verdienten Gebühren – selbstverständlich – nicht entgegenhalten zu lassen. Nicht immer sind allerdings die Mehrkosten aufgrund unterbliebener Anrechnung bei Anwaltswechsel auch von einem Dritten zu erstatten. Ein Wechsel der Parteien schließt hingegen die Anrechnung nicht zwingend aus. Wird derselbe Anwalt beispielsweise bei Abtretung einer Forderung zunächst für den Zedenten und später für den Zessionar tätig, ist eine Anrechnung vorzunehmen.
Rz. 45
§ 15 Abs. 5 RVG findet im Rahmen der Anrechnung ebenfalls Anwendung. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und die im RVG bestimmten Anrechnungen von Gebühren entfallen.