Rz. 259

Wenn der Arbeitgeber ab dem 43. Tag Gehalt fortzahlt, erfolgt ein Forderungswechsel nicht mehr nach § 6 EFZG, sondern nur per Abtretung. Soweit Vorteilsausgleichungen und Mithaftung den Verdienstausfall des Verletzten kürzen, wirkt sich dieses zulasten des Arbeitgebers aus, da nach § 116 SGB X der Schadenersatzbereich "Verdienstausfall" bereits im Unfallzeitpunkt in der zur Verfügung stehenden Höhe auf den SVT (z.B. wegen des Krankengeldes) übergegangen ist und der dann etwaig noch nicht verbrauchte Teil zunächst in das Quotenvorrecht des Arbeitnehmers fällt (siehe § 10 Rn 8 ff., 46). Der Arbeitgeber kann dann nur noch die verbleibende Spitze geltend machen.

 

Rz. 260

Das Quotenvorrecht hat der Arbeitgeber auch bei einer Abtretung zu beachten (siehe Rn 172; § 5 Rn 389).

 

Rz. 261

 

Beispiel 2.12

Das Gehalt des AS beträgt monatlich 3.000 EUR. Der Vorteilsausgleich (z.B. ersparte Fahrtkosten) beträgt 300 EUR. Der Erwerbsschaden des A beträgt also 2.700 EUR.

Nach Ablauf der 6-Wochen-Frist (§ 3 EFZG) erhält AS Krankengeld, der Arbeitgeber stockt das Krankengeld (aufgrund arbeitsvertraglicher oder tarifvertraglicher Regelung um 400 EUR) auf. AS hat seine Schadenersatzansprüche an seinen Arbeitgeber abgetreten.

Die Krankenkasse zahlt 2.400 EUR Krankengeld. Der Arbeitgeber zahlt 400 EUR. Ohne Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs verbleibt AS eine Einbuße von 200 EUR.

 
Aufwand der Beteiligten   geschuldeter Schadenersatzbetrag
Haftung: 100 % 80 % 50 %
kongruenter Schaden 2.700 EUR Ersatz:  2.700 EUR   2.160 EUR 1.350 EUR
Aufwand 1. Krankenkasse 2.400 EUR Rechtslage  2.400 EUR   1.920 EUR 1.200 EUR
2. AS

200 EUR,

300 EUR,

600 EUR[202]
Rechtslage   200 EUR[203]        200 EUR   150 EUR
3. Arbeitgeber 400 EUR Rechtslage   100 EUR[204]    40 EUR[205] ---[206]
Rangfolge der bevorrechtigten Befriedigung: 1. unmittelbar anspruchsberechtigte Person, SVT (gleichberechtigt)
2. siehe 1. (gleichberechtigt)
3. Arbeitgeber
 

Rz. 262

Im Beispiel 2.12 (siehe Rn 261) ist die jeweilige Forderungsberechtigung in mehreren Schritten vorzunehmen:

 

Rz. 263

1. Schritt:

Zunächst wird der vom Schädiger zu ersetzende Schaden bestimmt. Der Verdienstausfallschaden des Geschädigten (AS) beträgt 3.000 EUR, der Schadenersatzpflichtige kann jedoch ersparte Aufwendungen (Vorteilsausgleich) einwenden. Der vom Ersatzpflichtigen zu leistende Schadenersatz beträgt damit nur 2.700 EUR.

 

Rz. 264

2. Schritt:

Auf den Schadenersatzbetrag von 2.700 EUR greifen gleichberechtigt AS und Krankenkasse zu.

Wegen des früheren Forderungsübergangs (Krankenkasse im Unfallzeitpunkt, Arbeitgeber erst mit tatsächlicher Lohnfortzahlung im Falle des § 6 I EFZG, bei Abtretung erst mit Abschluss des Abtretungsvertrages) geht der Verdienstausfallschaden des AS in voller Höhe nach § 116 SGB X auf die Krankenkasse über, soweit diese Leistungen erbringt, d.h. bis zur Höhe der Krankengeldzahlung (2.400 EUR).

Die restliche Schadenersatzforderung (2.700 EUR – 2.400 EUR =) 300 EUR verbleibt zunächst in der Person des AS.

Bei einer Mithaftung kommt es gemäß § 116 III 1 SGB X zu einer relativen Verteilung des zur Verfügung stehenden Schadenersatzbetrages (Erwerbsschaden abzgl. Vorteilsausgleich).

Bei einer Haftung von 50 % erhält

die Krankenkasse 2.400 EUR * 50 % = 1.200 EUR,
der AS 300 EUR * 50 % = 150 EUR.
 

Rz. 265

3. Schritt:

Der Restschaden von (2.700 EUR – Krankengeld 2.400 EUR =) 300 EUR ist bei AS verblieben.

 

Rz. 266

Dieser Betrag ist zwischen AS und seinem Arbeitgeber unter Beachtung der besonderen Regeln des Forderungsüberganges auf Arbeitgeber zu verteilen. Dabei ist zum einen das Quotenvorrecht zu bedenken, zum anderen, dass hier nicht der Schadenersatzbetrag die Berechnung bestimmt, sondern das ungekürzte hypothetische Einkommen des AS.

Der Arbeitgeber erwirbt die Forderung unmittelbar vom Geschädigten per Abtretungsvertrag. § 6 I EFZG gilt nicht für Zeiträume jenseits des Lohnfortzahlungszeitraumes von 6 Wochen. Nur soweit in der Person des verletzten Arbeitnehmers eine Forderung (noch) besteht, kann diese auf den Arbeitgeber übergehen.
Das Quotenvorrecht des Arbeitnehmers gilt nicht nur für den Anwendungsbereich des § 6 EFZG, sondern als allgemeingültiges Prinzip auch für eine auf Verdienstausfall bezogene Abtretung (siehe § 5 Rn 389). Der Arbeitnehmer hat auch bei mitverschuldetem Haftpflichtgeschehen grundsätzlich (zu den Ausnahmen siehe § 5 Rn 229 ff.) Anspruch auf ungekürzte Gehaltsfortzahlung und Krankengeldaufstockung.

Vor dem Unfall hatte AS ein Einkommen von 3.000 EUR, jetzt bekommt er nur noch (Krankengeld 2.400 EUR + Arbeitgeberaufstockung 400 EUR =) 2.800 EUR.

Die Einbuße, die AS gemäß § 6 III EFZG analog quotenbevorrechtigt geltend machen kann, beläuft sich damit auf 200 EUR. Diesen Betrag kann AS auch bei Mithaftung in voller Höhe von dem bei ihm nach Auseinandersetzung der Krankenkasse (§ 116 III 1 SGB X) verbliebenen Betrag absetzen; nur der verbleibende Rest wird an den Arbeitgeber per Abtretung wirksam übertragen.[207]

[202] Bezogen auf den Schadenersatzbet...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?