Rz. 111

Erschwerend wirkt, dass das Zessionssystem nicht einheitlich gestaltet, sondern mit vielen Besonderheiten (u.a. in Abhängigkeit vom Unfallzeitpunkt, dem Zeitpunkt der tatsächlich erbrachten Drittleistung, dem Zeitpunkt des Forderungsüberganges, der Person des Anspruchsberechtigten, aber auch der Person des Schädigers und der Haftung) versehen ist.

 

Rz. 112

Zum Forderungswechsel ist zu bedenken, dass

in ein und demselben Unfallgeschehen
für ein und denselben Verletzten

deutlich verschiedene Forderungswechsel und Prioritäten zu beachten sind.

 

Rz. 113

Die Forderungszuweisung vollzieht sich bei Drittleistungsträgern

nicht stets zum selben Zeitpunkt,
nicht in gleicher Art und Weise sowie
nicht in gleichmäßigem Umfang.
 

Rz. 114

Der Forderungsübergang

erfolgt zu verschiedenen Zeitpunkten,
teilweise verbunden mit ungleicher Bevorzugung (z.B. Quotenvorrecht) des unmittelbar Geschädigten oder anderer Drittleistungsträger;
zum Teil wechselt die Forderung automatisch (z.B. § 116 SGB X),

manchmal sind auch Aktivitäten des unmittelbar Verletzten (Abtretung) oder Drittleistenden (z.B. tatsächliche Erbringung der Versicherungsleistung, Fortzahlung von Lohn) gefragt.

 

Rz. 115

 

Hinweis

Da es sich um einen dynamischen Prozess handelt, ist zu jedem Zeitpunkt der Regulierung erneut daran zu denken (und gegebenenfalls zu überprüfen), ob der nunmehr Fordernde, der Forderungsinhaber anlässlich der letzten Zahlung war, tatsächlich auch weiterhin der richtige Zahlungsempfänger ist.

 

Rz. 116

Der Gesetzgeber[72] hat bei (häufig politisch motivierten) Änderungen des Drittleistungsrechts regelmäßig (nur) den Leistungssektor im Fokus. Die Vernachlässigung der Regressmöglichkeiten führt zu Unstimmigkeiten im System, die – wenn überhaupt – erst zu späteren Zeitpunkten[73] dann einem (mehr oder weniger tauglichen) Reparaturversuch unterworfen werden.

 

Rz. 117

Die Vielfalt an Forderungsübergängen verdeutlichen nachstehende Beispiele:

 

Rz. 118

 
Praxis-Beispiel
 
Beispiel 2.3 Der angestellte Krankenhausarzt A wird bei einem Verkehrsunfall verletzt.
Als Drittleistungsträger kommen ­theoretisch in Betracht: 1. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) § 116 SGB X
  Gesetzliche Unfallversicherung (UVT)[74] § 116 SGB X
2. Beamtenrechtliche Beihilfe[75] Beamtenrecht
3. Private Krankenzusatzversicherung (PKV)[76] § 86 VVG
4. Gesetzliche Pflegeversicherung (GPV) § 116 SGB X
5. Private Pflegezusatzversicherung (PPV) § 86 VVG
6. Kranken(haus)tagegeldversicherung[77] (siehe § 4 Rn 1313) § 86 VVG
7. Private Unfallversicherung[78] § 86 VVG
8. Arbeitgeber § 6 EFZG
9. Gesetzliche Rentenversicherung (RVT)[79] § 116 SGB X
10. Arbeitsagentur § 116 SGB X
11. Berufsständische Versorgung Abtretung
12. Betriebliche Altersversorgung (bAV) Abtretung
 
  13. Beitragsregress (RVT) § 119 SGB X
14. Beitragsregress (Träger nach § 179 Ia SGB VI) § 179 Ia SGB VI
15. Sozialhilfe[80] § 116 SGB X
 

Rz. 119

 
Praxis-Beispiel
 
Beispiel 2.4 Das Kind K des Beamten B wird bei einem Verkehrsunfall verletzt.
Als Drittleistungsträger kommen theoretisch in Betracht: 1. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)[81] § 116 SGB X
  Gesetzliche Unfallversicherung (UVT)[82] § 116 SGB X
2. Beamtenrechtliche Beihilfe[83] Beamtenrecht
3. Private Krankenzusatzversicherung (PKV) § 86 VVG
4. Gesetzliche Pflegeversicherung (GPV) § 116 SGB X
5. Private Pflegezusatzversicherung (PPV) § 86 VVG
6. Private Unfallversicherung[84] § 86 VVG
7. Gesetzliche Rentenversicherung § 116 SGB X
8. Arbeitsagentur § 116 SGB X
9. Beitragsregress RVT § 119 SGB X
10. Beitragsregress (Träger nach § 179 Ia SGB VI) § 179 Ia SGB VI
11. Sozialhilfe[85] § 116 SGB X
[72] Dass dem Gesetzgeber die Vielzahl der in Betracht kommen Forderungsübergänge nicht gegenwärtig ist, zeigt u.a. die Norm des § 118 VVG. Diese Vorschrift lässt die Konkurrenzen von verschiedenen Forderungsübergängen außer Betracht; siehe Stiefel/Maier- Jahnke, § 118 VVG Rn 4 ff.
[73] Z.B. Erweiterung des § 116 X SGB X erst zum 1.8.2006 (durch Gesetz v. 20.7.2006 BGBl I 2006, 1706) auf den "Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II".
[74] Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeits-(wege-)unfall, aber auch bei Sondersituationen wie Nothilfe.
[75] Z.B. bei späterem Wechsel in Beamtenverhältnis oder neben freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung.
[76] 2-Bett-Zimmer, Chefarztbehandlung; Auslandsunfall.
[77] Sofern als Schadenversicherung ausgestaltet. Krankenhaustagegeldversicherung und Krankentagegeldversicherung sind grundsätzlich Summenversicherungen, deren Leistungen nicht auf den Ersatzanspruch anzurechnen sind.
[78] Auch wenn die private Unfallversicherung eine Summenversicherung ist, können doch Teilbereiche der Versicherungsleistung Schadencharakter haben: So ist das Reha-Management zum Teil Schadenversicherung, und nicht Summenversicherung.
[79] Wenn A in relativ kurzem zeitlichem Abstand nach Wechsel in die berufsständische Versorgung verletzt wird, kann die Wartezeit auf Leistungen aus der Ärzteversorgung...

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