Rz. 389
aa) Falsche Maßnahmen
Rz. 390
Da nach § 254 BGB die Schadenminderung dem Geschädigten obliegt, hat der Schadenersatzverpflichtete gegenüber dem Drittleistungsträger (z.B. SVT, der eine Rehabilitationsmaßnahme beim Verletzten unterlassen hat) nicht den Einwand des mitwirkenden Verschuldens. Nach § 254 BGB obliegt die Schadenminderung dem Geschädigten.
Rz. 391
Die Inanspruchnahme des Ersatzpflichtigen wegen solcher Leistungen, die bei ordnungsgemäß durchgeführten Reha-Maßnahmen nicht angefallen wären, kann jedoch gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) verstoßen. Vergrößert ein Drittleistungsträger den Schaden (z.B. durch falsche Maßnahmen wie unbrauchbare oder übertriebene Reha-Maßnahmen), kann der Regressanspruch des SVT zu mindern (u.U. sogar auf Null reduziert) sein.
Rz. 392
Beispiel 2.29
Hat der Haftpflichtversicherer einen Reha-Dienst mit der Abschätzung des verbliebenen Leistungsvermögens beauftragt und führt der SVT, der seinerseits eine Umschulungsmaßnahme in Betracht zieht, vergleichbare Maßnahmen erneut durch, sind ihm diese Kosten dann nicht mehr zu ersetzen, wenn er auf das vorhandene Zeugnismaterial und Ausbildung/Testung des Reha-Dienstes hätte zurückgreifen können.
Auch die aufgrund der zeitlichen Verzögerung u.U. entstandenen Mehrkosten treffen dann den Drittleistungsträger.
Rz. 393
Auch den beamtenrechtlichen Dienstherrn treffen ähnliche Pflichten, insbesondere die Pflicht zu rechtzeitigem Handeln (z.B. Versetzung vom Außendienst in den Innendienst).
Rz. 394
Beispiel 2.30
Ein Bundeswehroffizier wurde in Spanien verletzt. Er genießt als Soldat freie Heilfürsorge. Da er wegen seiner Verletzungen mit einem Flugzeug nach Deutschland geflogen werden sollte, wurde die Bundeswehr selbst im Rahmen freier Heilfürsorge tätig. Da nach der Dienstvorschrift "vorhandenes Flugmaterial einzusetzen ist", entschied die Einsatzleiterin, dieses auch zu tun. Es wurde daher kein – für die Überführung medizinisch ausreichender – Learjet anderweitig angemietet, sondern das "vorhandene Fluggerät" (konkret ein sog. Lazarettbomber) nach Spanien geschickt. Die Kosten von deutlich über 95.000 DM wurden dem Haftpflichtversicherer in Rechnung gestellt, der – zu Recht – nur auf Basis eines DRK-Ambulanzflugdienstes (ca. 20.000 DM wurden als erforderliche Kosten angesehen) abrechnete.
Ergebnis:
Die Gerichte führten u.a. aus:
"Der Geschädigte, der die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, muss sich hierbei in den Grenzen des Angemessenen (“erforderlich’ i.S.d. § 249 BGB) halten, eine Ersatzpflicht besteht nur in diesem Rahmen. Ein freie Heilfürsorge genießender Soldat hat keinen Einfluss auf die Kosten. Nimmt aber der Drittleistungsträger (z.B. Sozialversicherer, Dienstherr), auf den der Ersatzanspruch übergegangen ist, die Schadenbeseitigung selbst in die Hand, ist es seine Aufgabe, sich in den Grenzen des Angemessenen zu halten und unangemessene Kosten zu vermeiden; nur die angemessenen Kosten hat der Schädiger zu erstatten. Das ist für den Fall, dass ein Sozialversicherer als Rechtsnachfolger Schadensminderungspflichten verletzt, vom BGH" so ausdrücklich entschieden (BGH NJW 1981, 1100). Für den Bereich des § 249 BGB muss das erst recht gelten. Die Wehrbereichsverwaltung als Rechtsnachfolger kann daher die Rettungsflugkosten nur im Rahmen des Angemessenen ersetzt verlangen.“
Rz. 395
Führt der Drittleistungsträger eine Umschulungsmaßnahme mit vorhersehbarer Unvermittelbarkeit des in diesen Beruf Umgeschulten durch, entfällt eine Ersatzpflicht. Gleiches gilt für unbrauchbare und übertriebene Reha-Maßnahmen.
Rz. 396
Trägt die Leistungsgewährung des SVT zur psychischen Destabilisierung des Verletzten bei (z.B. Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht zunächst auf Zeit, sondern auf Dauer entgegen ärztlichem Rat), ist der Regressanspruch des SVT zu mindern, u.U. sogar auf Null zu reduzieren.
Rz. 397
Beispiel 2.31
Ein 23-jähriger Chefkoch wird schwer verletzt (u.a. Kopf- und Halsverletzungen, Schädelhirntrauma sowie eine rechtsseitige Armschädigung). Dauerhaft verblieben sind neben einer Armplexuslähmung rechts, Stimmbandbeeinträchtigungen, erhöhte Reizbarkeit und Aggressivität, verminderte Konflikttoleranz und allgemein niedrige psycho-physische Belastbarkeit durch hirnorganisches Psychosyndrom.
Ergebnis:
Umschulung zum Verwaltungsbeamten.