I. Begrifflichkeiten
Rz. 53
Deckungssumme – Haftungshöchstsumme
1. Deckungsverhältnis
Rz. 54
Die Deckungssumme (Versicherungssumme) bestimmt im Deckungsverhältnis (Versicherungsverhältnis), bis zu welchem in einem Versicherungsvertrag vereinbarten Betrag der Haftpflichtversicherer der bei ihm versicherten Person, die ihrerseits einem Dritten gegenüber schadenersatzpflichtig ist, dann dessen Schadenersatzleistung erstattet.
Rz. 55
Eine Mindestversicherungssumme (gesetzlich für Pflichtversicherungen vorgegeben, z.B. Anlage zu § 4 II PflVG) bestimmt den unteren Rahmen einer versicherungsvertraglichen Deckungsbeziehung und begrenzt auch etwaige Vorleistungspflichten eines Versicherers bei Störung im Versicherungsvertragsverhältnis.
Rz. 56
Die haftpflichtige (natürliche oder juristische) Person bleibt selbst unbeschränkt dem Ersatzberechtigten (Verletzter, Drittleistungsträger) gegenüber im Obligo, während nur sein Versicherer – quasi sein Portemonnaie – in der Zahlungspflicht gedeckelt ist.
Rz. 57
Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds (VOH, § 12 I 1 PflVG) entfällt, soweit der Ersatzberechtigte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens nach den Vorschriften über die Amtspflichtverletzung zu erlangen, oder soweit der Schaden durch Leistungen eines SVT, durch Fortzahlung von erwerbsnahem Einkommen (Dienstbezug, Amtsbezug, Versorgungsbezug, Vergütung, Lohn) ausgeglichen wird (§ 12 I 1 PflVG).
2. Haftungsverhältnis
Rz. 58
Die Deckungssumme ist von der Haftungshöchstsumme unabhängig: Die Haftungshöchstsumme beschränkt auch bei unbeschränkt bestehender Deckung die finanzielle Verantwortlichkeit des unmittelbar handelnden bzw. für eine gefährliche Sache verantwortlichen Schadenersatzpflichtigen gegenüber dem Anspruchsberechtigten bereits im Haftungsverhältnis (Schadenersatzverhältnis), während die Deckungssumme (ebenso wie die Mindestversicherungssumme) den Freistellungsanspruch des Haftpflichtigen im Verhältnis zu seinem Versicherer im Deckungsverhältnis (Versicherungsverhältnis) bestimmt.
Rz. 59
Haftungssumme und Deckungssumme sind begrifflich und inhaltlich strikt voneinander zu trennen: Auch wenn uneingeschränkte Deckung des Haftpflichtversicherers besteht, ist dessen Zahlungspflicht auf die Verantwortlichkeit seines Versicherten beschränkt; haftet dieser nur im Rahmen der Haftungshöchstsumme, so geht die Zahlungspflicht des Versicherers auch nicht weiter.
II. Mindestversicherungssumme (Kfz-Versicherung)
Rz. 60
Die Grenzen für die Mindestversicherungssumme im Kfz-Haftpflichtsektor wurden in der Vergangenheit mehrfach verändert. Entscheidend für das zur Verfügung stehende Volumen ist stets der Unfalltag (dies gilt nicht nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung).
Rz. 61
Übersicht 2.6: Mindestversicherungssumme – Kraftfahrt (Historie)
Mindestversicherungssumme für Kfz und Anhänger |
Schadenereignis |
bis 30.6.1997 |
ab 1.7.1997 |
ab 1.1.2002 |
ab 18.12.2007 |
Tötung/Verletzung 1 Person |
1.000.000 DM |
5.000.000 DM |
2.500.000 EUR |
7.500.000 EUR |
Personenmehrheit (Tötung/Verletzung von 3 und mehr Personen) |
1.500.000 DM |
15.000.000 DM |
7.500.000 EUR |
7.500.000 EUR |
|
– zur Personenbeförderung vorgesehene Fahrzeuge und Anhänger mit mehr als 9 Fahrgastplätzen |
Mindestversicherungssumme ist stufenweise erhöht (Staffelung ab 10. bzw. 81. Platz). Einzelheiten: Anlage zu § 4 II PflVG, Nrn. 2, 3 |
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– Tötung bzw. Verletzung mehrerer Personen (Gesamtbetrag für alle Personen) |
1.500.000 DM max. jedoch pro Geschädigtem 1 Mio. DM |
15.000.000 DM max. jedoch pro Geschädigtem 5 Mio. DM |
7.500.000 EUR max. jedoch pro Geschädigtem 2,5 Mio. EUR |
7.500.000 EUR |
Sachschaden |
400.000 DM |
1.000.000 DM |
500.000 EUR |
1.000.000 EUR |
ab 1.1.2012: 1.120.000 EUR |
reine Vermögensschäden |
40.000 DM |
100.000 DM |
50.000 EUR |
50.000 EUR |
III. Haftungshöchstsumme
1. Höhenbeschränkung bei verschuldensunabhängiger Haftung
a) Allgemeines
Rz. 62
Etliche Gesetze begründen zwar eine verschuldensunabhängige Haftung, begrenzen dann aber im Gegenzug die finanzielle Einstandspflicht des nach diesen Vorschriften Schadenersatzpflichtigen auf Maximalbeträge (Haftungshöchstsumme):
▪ |
§§ 12, 12a StVG begrenzen die finanzielle Einstandspflicht des nach dem StVG Schadenersatzpflichtigen (Halter: § 7 I, III StVG; Fahrer: § 18 I 1 StVG; Nutzer: § 7 III StVG). |
▪ |
Auch andere Haftpflichtgesetze enthalten Begrenzungen der verschuldensunabhängigen Einstandspflicht: z.B. §§ 9, 10 HaftPflG, §§ 37, 46 LuftVG, §§ 10, 11 ProdHaftG. |
▪ |
Einige verschuldensunabhängige Haftpflichttatbestände sehen keine Höhenbeschränkung vor (z.B. § 833 S. 1 BGB, § 53 I LuftVG, § 12b StVG, §§ 41, 89, 91 WHG). |
b) Individuelle Grenze – globale Grenze
Rz. 63
Die Gesetze unterscheiden häufig, aber nicht immer (Ausnahme z.B. § 12 StVG für Unfälle ab dem 18.12.2007), hinsichtlich der Höhenbegrenzung bei Personenschaden zwischen
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der individuellen Haftungshöchstgrenze je verletzter Person und |
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der globalen Haftungsgrenz... |