Rz. 82

Der in seinen Rechtsgütern unmittelbar verletzte Unfallbeteiligte[50] erhält im Rahmen der Verantwortlichkeit des Schadenersatzpflichtigen seinen Schaden von diesem ersetzt. Neben dem Ersatzpflichtigen erbringen häufig auch Dritte Leistungen anlässlich des Schadensfalles, die ihrerseits dann den Schädiger wegen ihrer Leistungen in Regress nehmen. Die Abwicklung von Personenschäden zeichnet sich dabei nicht nur durch Probleme der Schadenbemessung aus: Anders als beim Sachschaden ist die Personenschadenregulierung durch vielfache, rechtlich sehr unterschiedlich zu behandelnde Leistungen von dritter Seite geprägt, wobei die Drittleistungsträger im Gegenzug für ihre kongruenten Leistungen im Wege der Cessio legis oder Abtretung dann Ersatzansprüche des unmittelbar Verletzten ganz oder teilweise zugewiesen bekommen.

 

Rz. 83

Die Forderungsberechtigung ist nicht statisch, sondern dynamisch, d.h. sie unterliegt häufigen Veränderungen (pantha rhei).[51] Gerade mit Blick auf die vielfältigen Drittleistungen ist mit zeitlichem Fortschreiten der Regulierung und Abwicklung von Personenschadenansprüchen stets – und leider im weiteren Verlauf der Regulierung auch immer wieder neu – zu überprüfen, ob der jeweils Fordernde (unmittelbar Verletzter, Drittleistungsträger)

im Zeitpunkt seines Forderns

tatsächlich schon,
immer noch
oder schon wieder
Inhaber der für sich reklamierten Forderung ist.[52]
 

Rz. 84

Bei der Geltendmachung seiner Ersatzansprüche hat der Fordernde alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu beweisen. Dazu gehört vor allem auch seine aktuelle Aktivlegitimation (siehe Rn 188 ff.).[53] Veränderungen sind prozessual u.U. noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung einzubeziehen. Wenn die zunächst auf eigenes Recht gestützte Klage auf abgetretenes/übergegangenes Recht umgestellt wird, handelt es sich um eine Klageänderung i.S.v. § 263 ZPO. In der Berufungsinstanz ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (§ 533 ZPO).[54]

 

Rz. 85

Der Anspruch des Verletzten gegenüber dem Drittleistungsträger bestimmt sich ausschließlich nach dem Innenverhältnis dieser Drittleistungsbeziehung und ist unabhängig vom Schadenersatzverhältnis. Die Drittleistungsverpflichtung besteht, von einigen Ausnahmen[55] abgesehen, auch bei selbstverschuldetem oder mitverschuldetem Unfall. Die Leistungen aus der Drittleistungsbeziehung, die sich teilweise auch abstrakt (z.B. im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung[56]) an pauschalen Sätzen und Leistungsbestimmungen orientieren, können durchaus höher sein als die anhand konkreter[57] Maßstäbe zu bestimmenden Schadenersatzansprüche.

 

Rz. 86

Die Drittleistenden sind dem durch einen Unfall Verletzten aufgrund eigener unmittelbarer Rechtsbeziehungen außerhalb des Schadenersatzverhältnisses zwischen Schädiger und Geschädigtem (Verletztem) zu Leistungen verpflichtet, und zwar

entweder vertraglich (z.B. Tarifvertrag, Einzelarbeitsvertrag, privater Krankenversicherungsvertrag)
oder gesetzlich (z.B. Leistungen nach SGB; Sozialhilfeleistungen; Beamtenrecht, EFZG).
[50] Gleiches gilt für den Hinterbliebenen eines unfallkausal Verstorbenen.
[51] ""Alles fließt"" (pantha rhei). Heraklit (um 540 – 620 v. Chr.) wollte damit zum Ausdruck bringen, dass das Werden und nicht das Sein das Gesetz des sich entfaltenden Kosmos sei. Plato (um 428 – um 347 v. Chr.) verwendet den Satz in einer sprachlich anderen Form ""Alles bewegt sich fort und nichts bleibt"" (pánta chorei kaì oudèn ménei).
[52] Siehe BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – GesR 2012, 475 = jurisPR-SozR 13/2012, Anm. 6 (Anm. Dahm) = jurisPR-VerkR 14/2012, Anm. 2 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639 (Anm. Giesen NJW 2012, 3609) = NJW-Spezial 2012, 394 = NZS 2012, 752 (nur Ls.) = NZV 2012, 577 (Anm. Dahm NZV 2012, 575) = r+s 2012, 414 = SP 2012, 284 = VersR 2012, 924 = VRS 123, 167.
[53] AG Wertheim v. 14.10.2005 – 1 C 361/03 – DAR 2006, 283, Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 5 Rn 543 ff.
[54] OLG Düsseldorf v. 15.1.2013 – 1 U 105/11 – SP 2013, 343.
[55] So beeinträchtigt grob fahrlässiges Verhalten des Verletzten u.a. den Entgeltfortzahlungsanspruch.
[56] BSG v. 27.5.1970 – 2 RU 168/67 – Breith 1970, 920 = BSGE 31, 185.
[57] BGH v. 24.10.1978 – VI ZR 142/77 – r+s 1979, 40 (nur Ls.) = VersR 1978, 1170, BGH v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68 – BB 1970, 862 = BGHZ 54, 45 = DB 1970, 1264 = JuS 1970, 586 = JZ 1971, 371 (Anm. Lieb JZ 1971, 358) = MDR 1970, 752 = NJW 1970, 1411 = VersR 1970, 766 = VRS 39, 163; BGH v. 11.1.1957 – VI ZR 313/55 – VersR 1957, 132.

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