Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
I. Mutterschutz
Rz. 68
Nach § 17 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung während der Schwangerschaft und bis vier Monate nach der Entbindung unzulässig. Dies gilt auch für die außerordentliche Kündigung. Nach § 17 Abs. 2 MuSchG kann die Kündigung ausnahmsweise aufgrund eines nicht in der Schwangerschaft, Fehlgeburt oder Entbindung liegenden Grunds durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle für zulässig erklärt werden.
Rz. 69
Wenn die Zulässigkeitserklärung nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erwirkt wird, reicht es aus, dass der Arbeitgeber binnen zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe bei der zuständigen Behörde beantragt, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung für zulässig zu erklären. Wird die beabsichtigte Kündigung für zulässig erklärt, muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich nach Zustellung des Bescheides aussprechen. Liegt die Zustimmung zur Kündigung vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB vor, so kann der Arbeitgeber diese Kündigungserklärungsfrist voll ausschöpfen und muss nicht unverzüglich kündigen.
II. Elternzeit
Rz. 70
Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend auch für die außerordentliche Kündigung während der Elternzeit. Damit dem Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG zukommt, muss das Verlangen der Elternzeit vom Arbeitgeber in einem Zeitraum von frühestens acht Wochen, bei einer Elternzeit zwischen dem dritten und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes frühestens 14 Wochen vor Beginn der Elternzeit liegen. Als Endtermin der achtwöchigen Vorfrist des § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG ist der Tag der prognostizierten Geburt maßgeblich, wenn dieser vor dem Tag der tatsächlichen Geburt liegt.
Rz. 71
Bestimmt der Gesetzgeber eine Vorfrist und räumt er dem Arbeitnehmer ein innerhalb der Vorfrist auszuübendes Recht – hier auf die Geltendmachung von Elternzeit – ein, so muss die Vorfrist auch schon vor dem Tag, an dem sie endet, sicher berechnet werden können. Das aber setzt voraus, dass es nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den voraussichtlichen Tag der Entbindung ankommt. § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG setzt voraus, dass tatsächlich Elternzeit genommen wird. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer die Elternzeit nur unter der Bedingung beansprucht, dass der Arbeitgeber Elternteilzeit gewährt, und der Arbeitgeber das Teilzeitbegehren vor dem prognostizierten Geburtstermin wirksam ablehnt.
III. Schwerbehinderte Menschen
1. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Rz. 72
Vor Stellung des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung bedarf es der Mitteilung an die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX zur arbeitgeberseitig beabsichtigten Stellung eines Antrags beim Inklusionsamt auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung. Nach Eingang der Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung muss der Arbeitgeber nach erneuter Befassung mit der Angelegenheit und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Schwerbehindertenvertretung entscheiden, ob er den Antrag auf Zustimmung stellen möchte. Nach der Zustimmung des Integrationsamts ist die Schwerbehindertenvertretung über die Entscheidung des Integrationsamts zu unterrichten und über die Entscheidung des Arbeitgebers, die Kündigung auszusprechen.
2. Einholung der Zustimmung des Integrationsamts/Inklusionsamts
Rz. 73
Nach §§ 168, 174 Abs. 1 SGB IX bedarf die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung durch das Integrationsamt. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden, § 174 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Maßgebend ist der Eingang des Antrags bei dem Integrationsamt/Inklusionsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, § 174 Abs. 2 S. 2 SGB IX. Durch die Zustimmung steht jedoch nicht zugleich fest, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB gewahrt ist. Die Fristen des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB und des § 174 Abs. 2 SGB IX bestehen selbstständig nebeneinander und verdrängen einander nicht. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im Fall der Zustimmung des Integrationsamts/Inklusionsamts zur außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Menschen weder die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch die des § 174 Abs. 2 SGB IX zu prüfen. Das Integrationsamt/Inklusionsamt trifft die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tag des Eingangs des Antrags an. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 174 Abs. 3 SGB IX). Das Integrationsamt/Inklusionsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, d...