Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 83
Vor Kündigungen des Arbeitgebers besonders geschützt sind nach § 15 Abs. 1 KSchG Mitglieder eines Betriebsrats (§§ 7 ff. BetrVG), einer Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 60 BetrVG), einer Bordvertretung (§ 115 BetrVG) und eines Seebetriebsrats (§ 116 BetrVG). Nach § 15 Abs. 2 KSchG haben die Mitglieder eines Wahlvorstands (§ 16 BetrVG), Wahlbewerber (§ 14 BetrVG) sowie Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats Sonderkündigungsschutz. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG beginnt für gerichtlich bestellte Mitglieder des Wahlvorstands mit der Verkündung und nicht erst mit der formellen Rechtskraft des Einsetzungsbeschlusses. Bewerber für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl genießen allein aufgrund ihrer Kandidatur keinen besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG, § 103 BetrVG. Sie sind keine "Wahlbewerber" im Sinne dieser Bestimmungen.
Rz. 84
Der besondere Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG gilt auch für Ersatzmitglieder, soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied vertreten. Für die Frage, ob Sonderkündigungsschutz nach § 103 Abs. 1 BetrVG besteht, ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung i.S.v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB abzustellen. Eine zeitweilige Verhinderung i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Diese Voraussetzung ist während des Erholungsurlaubs eines Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt, wenn es nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt hat, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Ein Betriebsratsmitglied ist nicht deshalb i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG zeitweilig verhindert, weil es arbeitsfrei hat. Anders als im Falle bewilligten Erholungsurlaubs ist einem Betriebsratsmitglied die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben außerhalb der persönlichen Arbeitszeit nicht grundsätzlich unzumutbar. Es muss vielmehr ein tatsächlicher Verhinderungsgrund vorliegen und vom Ersatzmitglied, das sich auf ein Nachrücken und das Eingreifen von Sonderkündigungsschutz gem. § 103 BetrVG beruft, dargelegt werden.
Rz. 85
Keinen Sonderkündigungsschutz haben Ersatzmitglieder, solange sie nicht für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied nachgerückt oder Stellvertreter eines zeitweilig verhinderten Betriebsratsmitglieds sind (§ 25 Abs. 1 BetrVG), Wahlbewerber für den Wahlvorstand (§ 17 Abs. 1 BetrVG), Mitglieder einer Einigungsstelle (§ 76 BetrVG), eines Wirtschaftsausschusses (§ 107 BetrVG), einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8 BetrVG) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86 BetrVG), sofern diese Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Betriebsratsmitglieder sind. Keinen Sonderkündigungsschutz haben Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat oder gewerkschaftliche Vertrauensleute der Belegschaft sowie Mitglieder eines Sprecherausschusses für leitende Angestellte.
Rz. 86
Endet das Amt des Betriebsratsmitglieds, hat sich der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 103 Abs. 2 BetrVG objektiv erledigt und wird mangels Fortbestands des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das gilt auch, wenn das Amt aufgrund einer erfolgreichen Anfechtung der Betriebsratswahl endet. Der Arbeitgeber ist nunmehr berechtigt, ohne Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG die Kündigung auszusprechen. Als Beendigung des Amtes ist es jedoch nicht anzusehen, wenn sich an das Ende der Amtszeit, in der ein Antrag nach § 103 Abs. 2 BetrVG gestellt wurde, ohne Unterbrechung eine neue Amtszeit des Betriebsratsmitglieds anschließt. In diesem Fall gilt die Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat fort. Das Zustimmungsersetzungsverfahren erledigt sich nicht, sondern kann weitergeführt werden.
Rz. 87
Den in § 15 Abs. 1–3 KSchG geschützten Personen kann außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und der Betriebsrat der Kündigung nach § 103 Abs. 1 BetrVG zugestimmt hat oder die Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitsgericht ersetzt wurde. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das gilt nicht nur bei individuell oder tarifvertraglich vereinbartem Ausschluss der ordentlichen Kündigung, sondern nach der ständigen Rechtsprechung des BAG auch bei Arbeitnehmern, denen gegenüber die ordentliche Kündigung nach § 15 KSchG ausgeschlossen ist. Nach § 15 KSchG ist eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber dem geschützten Personenkreis unzulässig. Dagegen bejaht das BAG die Zulässigkeit der Änderungskündigung mit Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen. Eine außerordentliche Kündigung, die ohne Zustimmung des Bet...