Rz. 40
Rom II dürfte das Ziel, europaweit für ein einheitliche Grundsätze bei der Bestimmung des sachlich anzuwendenden Rechts zu sorgen, nur begrenzt erreichen, da nach Art. 28 Abs. 1 Rom II das Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (HÜ) dieser Verordnung vorgeht. Es ist also genau zu prüfen, ob der Staat, in dem das angerufene Gericht liegt, das HÜ unterzeichnet hat, welches Rom II vorgeht.
Rz. 41
Folgende Vertragsstaaten haben das Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 unterzeichnet (in Klammern ist jeweils das Inkrafttreten angegeben – Stand: Dezember 2015):
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Belarus (15.6.1999), |
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Belgien (3.6.1975), |
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Bosnien und Herzegowina (16.12.1975), |
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Frankreich (3.6.1975), |
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Kroatien (16.12.1975), |
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Lettland (15.10.2000), |
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Litauen (24.3.2002), |
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Luxemburg (13.12.1980), |
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Marokko (25.6.2010), |
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Mazedonien (16.12.1975), |
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Montenegro (16.12.1975), |
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Niederlande (30.12.1978), |
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Niederlande-Aruba (1.1.1986), |
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Österreich (3.6.1975), |
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Polen (28.5.2002), |
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Schweiz (2.1.1987), |
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Serbien (16.12.1975), |
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Slowakei (11.7.1976), |
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Slowenien (16.12.1975), |
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Spanien (21.11.1987), |
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Tschechien (11.7.1976), |
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Ukraine (18.12.2011). |
Die Bundesrepublik Deutschland ist dem Übereinkommen bisher nicht beigetreten. Gem. Art. 11 wird es jedoch von den Vertragsstaaten auch gegenüber Nichtvertragsstaaten angewandt.
Rz. 42
Muster 2.15: Anwendung des Haager Übereinkommens
Muster 2.15: Anwendung des Haager Übereinkommens
Vorliegend gelangt das Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 zur Geltung (HÜ). Dieses Abkommen geht auch gem. Art. 28 Abs. 2 Rom II der Rom II-Verordnung vor. Nach dem Recht des angerufenen Gerichts ist auf das Haager Übereinkommen abzustellen, dem der Staat _________________________ am _________________________ beigetreten ist. Gem. Art. _________________________ HÜ ist vorliegend das Recht das _________________________ materielle Recht anzuwenden, da _________________________.
Rz. 43
In den meisten Fällen dürfte eine Anwendung von Rom II und HÜ keinen wesentlichen Unterschied ausmachen. Das HÜ sieht in Art. 3 vor, dass das Recht des Staats zur Anwendung gelangt, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat (Tatortprinzip – das Ereignis, nicht jedoch der Primärschaden entscheidet). Nach Art. 7 HÜ sind (wie nach Art. 17 Rom II) die am Ort und zur Zeit des Unfalls geltenden Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften zu berücksichtigen. Tritt der entscheidende Schaden aber als Primärschaden erst an einem anderen grenzüberschreitenden Ort ein (z.B. im Zusammenspiel mit einem anderen Ereignis), wären unterschiedliche Rechtsordnungen je nach Rom II oder HÜ anzuwenden.
Rz. 44
Die von diesem Grundsatz vorgesehenen Ausnahmen nach dem HÜ sind andere als in der Rom II-Verordnung. Eine Vereinbarung über das anzuwendende sachliche Recht sieht das HÜ anders als Rom II in Art. 14 nicht vor. Auch die Ausnahme des gemeinsamen Aufenthaltsorts findet sich im HÜ nicht. Es gelten vielmehr die in Art. 4 HÜ niedergelegten Ausnahmen.
Rz. 45
Bei einem Unfall, an dem nur ein Fahrzeug beteiligt ist und das Fahrzeug in einem anderen als dem Staat des Unfallortes zugelassen ist, ist nach Art. 4a) des HÜ das Recht des Zulassungsstaats anzuwenden:
(1) |
bei einem Anspruch gegen den Führer, Halter oder Eigentümer des Fahrzeugs, |
(2) |
bei einem Anspruch eines Fahrgastes, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem Staat des Unfallortes hatte, |
(3) |
bei einem Anspruch gegen eine Person außerhalb des Fahrzeugs, wenn diese ihren Aufenthaltsort auch in dem Zulassungsstaat hat. |
Rz. 46
Bei einem Unfall, an dem mehrere Fahrzeuge beteiligt sind, können gegen einen Führer, Halter oder Eigentümer eines Kfz nach Art. 4a) HÜ nur dann Ansprüche geltend gemacht werden, wenn nach Art. 4b) HÜ alle Fahrzeuge in diesem Staat zugelassen sind. Handelt es sich um den Anspruch eines Geschädigten außerhalb des Fahrzeugs, muss dieser ebenfalls in dem gleichen Staat seinen Wohnsitz haben (Art. 4c HÜ).
Rz. 47
Geht es um Ansprüche wegen beförderter Gegenstände sieht Art. 5 HÜ wiederum weitere Ausnahmen vor. Gleiches gilt für beschädigte Gegenstände außerhalb der beteiligten Fahrzeuge.