Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Überblick
Rz. 9
Das RVG sieht für eine Beratung keine Gebührentatbestände mehr vor. Stattdessen legt es dem Anwalt in § 34 Abs. 1 S. 1 RVG nahe, eine Gebührenvereinbarung mit dem Mandanten zu treffen. Schließt der Anwalt keine Vereinbarung über die zu zahlende Beratungsgebühr, ist eine Gebühr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts geschuldet, also nach § 612 BGB. Geschuldet ist dann die ortsübliche Vergütung. Die Höhe der Gebühr bestimmt der Anwalt nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG (§ 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 RVG).
Rz. 10
Wie bisher bleiben daneben weiterhin die Allgemeinen Gebührenvorschriften nach Teil 1 VV (Einigungs- oder Aussöhnungsgebühr) ebenso anwendbar wie die Auslagentatbestände nach Teil 7 VV. Nur die reinen Beratungstätigkeiten, also die Tätigkeiten, die bis zum 30.6.2006 durch die Gebühren der Nrn. 2100, 2101 VV a.F. abgegolten waren, sind nicht mehr durch gesetzliche Gebührentatbestände erfasst; die übrigen gesetzlichen Vorschriften gelten weiterhin.
Rz. 11
Zur Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern nach Nr. 1008 VV siehe Rdn 22.
Rz. 12
Hinzu kommen Auslagen nach den gesetzlichen Vorschriften. Danach kann der Anwalt Dokumentenpauschalen nach Nr. 7000 VV berechnen. Er kann Reisekosten verlangen, wenn er zur Beratung zum Mandanten fährt. Auch Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) fällt an.
Rz. 13
Anlässlich einer Beratung können auch Entgelte für Telekommunikationsdienstleistungen angefallen sein. Ist das der Fall, kann konkret (Nr. 7001 VV) oder auch pauschal nach Nr. 7002 VV abgerechnet werden, wobei sich die Postentgeltpauschale entweder an der angemessenen BGB-Vergütung oder an der vereinbarten Gebühr orientiert. Voraussetzung für eine pauschale Berechnung ist allerdings, dass zumindest ein Cent an Post- oder Telekommunikationsentgelt angefallen ist. Sind keine Entgelte angefallen, kann auch keine Pauschale erhoben werden. Allerdings ist es angesichts der zunehmenden Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs und der damit verbundenen Flatrateverträge nicht erforderlich, dass sich einzelne Kostenpositionen dem konkreten Mandat zuordnen lassen.
2. Umfang der Angelegenheit
Rz. 14
Jede Beratung stellt grundsätzlich eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG dar, so dass der Anwalt für mehrere Beratungen folglich auch mehrere Ratsgebühren nach § 34 Abs. 1 RVG erhält. Insbesondere in Familiensachen ist es in der Praxis äußerst schwierig festzustellen, wann eine Angelegenheit der Beratung vorliegt und wann mehrere Angelegenheiten gegeben sind. Dies liegt darin begründet, dass der Beratungsbedarf in aller Regel auf dasselbe Ereignis, nämlich das Scheitern der Ehe und die damit verbundene Trennung, zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass der Mandant, wenn er den Anwalt aufsucht, häufig noch gar nicht weiß, worüber er sich beraten lassen will. Er kennt seine einzelnen Rechte und Pflichten auf Unterhalt, Umgangsrecht, Sorgerecht, Zugewinn etc. häufig noch gar nicht. Hier wird es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Zur Vermeidung von Abrechnungsproblemen sollten diese Fragen frühzeitig klargestellt werden. Es empfiehlt sich, hier Gebührenvereinbarungen zu treffen. Der Anwalt muss im Zweifel damit rechnen, dass in einem späteren Gebührenrechtsstreit das Gericht davon ausgehen wird, dass insgesamt nur eine einzige Beratungsangelegenheit vorliegt. Insoweit wird auf die vergleichbare Situation im Rahmen der Beratungshilfemandate verwiesen (siehe § 16 Rdn 28 ff.).
3. Fehlende Vereinbarung
a) Überblick
Rz. 15
Hat der Anwalt mit seinem Auftraggeber keine Gebührenvereinbarung getroffen, so gilt § 34 Abs. 1 S. 2 RVG. Der Anwalt erhält eine Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Einschlägig ist in diesem Fall § 612 Abs. 2 BGB. Der Anwalt erhält also eine angemessene (ortsübliche) Vergütung. Die Höhe dieser Vergütung richtet sich nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG (§ 34 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. RVG). Zu berücksichtigen sind
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Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, |
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Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, |
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Bedeutung der Sache, |
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Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und |
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Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG) sowie |
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das besondere Haftungsrisiko des Anwalts (§ 14 Abs. 1 S. 2 RVG). |
Rz. 16
Nach AG Emmerich kann mangels einer (wirksamen) Vereinbarung von einer 0,75-Gebühr aus dem Gegenstandswert ausgegangen werden. Das AG Bielefeld wiederum hält 190,00 EUR je Stunde für angemessen. Soweit das AG Stuttgart verlangt,...