Dr. Nicolai Besgen, Thomas Prinz
Rz. 115
Das Verfahren der Arbeitsbefreiung richtet sich nach § 37 Abs. 6 S. 3–6 BetrVG, die über den Verweis in § 37 Abs. 7 S. 3 BetrVG auch für den Bildungsurlaub gelten.
a) Festlegung des Schulungszeitpunkts
Rz. 116
Der Betriebsrat hat nach § 37 Abs. 6 S. 3 BetrVG bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. An diese Notwendigkeiten werden strenge Anforderungen gestellt. Bedeutsam können sie daher regelmäßig nur für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder sein, z.B. bei besonders hohem Arbeitsanfall, der die Arbeitsleistung des konkreten Betriebsratsmitglieds zwingend erfordert. Die betrieblichen Notwendigkeiten dürfen aber nicht dazu führen, dass die Schulungsteilnahme nicht durchgeführt werden kann. Allerdings kann sich im Einzelfall die Verpflichtung des Betriebsrats ergeben, die Teilnehmerzahl zu reduzieren. Im Übrigen muss der Betriebsrat den Schulungszeitpunkt so wählen, dass die betrieblichen Belange möglichst gering belastet werden.
b) Festlegung der Teilnehmer
Rz. 117
Die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder wird durch Beschluss des Gremiums festgelegt. Bei der Auswahlentscheidung ist der Betriebsrat dabei nicht frei. Vielmehr muss er seine Entscheidung nach objektiven Kriterien treffen, insbesondere danach, welche Aufgaben und Funktion einzelne Mandatsträger im Betriebsrat wahrnehmen. Zudem ist der Betriebsrat an § 75 Abs. 1 BetrVG gebunden. Schon aus diesem Grund scheidet eine unterschiedliche Behandlung der Betriebsratsmitglieder ohne sachlichen Grund aus.
c) Unterrichtungspflichten
Rz. 118
Nach § 37 Abs. 6 S. 4 BetrVG hat der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich auf die maßgeblichen Tatsachen. Diese umfassen die Inhalte der Veranstaltung, deren Dauer, Ort und den Veranstalter sowie ggf. die behördliche Anerkennung im Falle eines Bildungsurlaubs nach § 37 Abs. 7 BetrVG. Hintergrund der Unterrichtungspflicht ist das Recht des Arbeitgebers, nach § 37 Abs. 6 S. 5 BetrVG die Einigungsstelle anzurufen, wenn er die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt hält. Die Unterrichtung muss deshalb so rechtzeitig erfolgen, dass die Einigungsstelle ggf. noch rechtzeitig angerufen werden kann. Hieraus folgt: Wird die Unterrichtungspflicht missachtet und verletzt, lassen sich hieraus keine nachteiligen Folgen für den Entgeltfortzahlungsanspruch ableiten; es handelt sich in erster Linie um eine formale Ordnungsvorschrift. Im Wiederholungsfalle besteht aber die Möglichkeit, Rechte aus § 23 Abs. 1 BetrVG herzuleiten.
d) Anrufung der Einigungsstelle
Rz. 119
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, nach § 37 Abs. 6 S. 5 BetrVG die Einigungsstelle anzurufen, wenn er die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für ausreichend berücksichtigt hält. Erhebt der Arbeitgeber diesen Einspruch, muss der Betriebsrat zunächst die Klärung der Streitfrage abwarten und darf kein Betriebsratsmitglied zur Schulung entsenden. Das Recht, in besonders gelagerten Eilfällen eine einstweilige Verfügung zu erwirken, bleibt hiervon allerdings unberührt. Aber: Das Recht zur Anrufung der Einigungsstelle besteht nur in Bezug auf die zeitliche Lage der Schulungsveranstaltung. Bestreitet der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Schulung an sich, muss dies im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geklärt werden. Das Beschlussverfahren hat jedoch keine aufschiebende Wirkung, so dass das Betriebsratsmitglied zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung dennoch berechtigt ist. Das Risiko einer Fehleinschätzung ist allerdings von ihm zu tragen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied aber auch die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung durch einstweilige Verfügung untersagen lassen.
e) Freizeitausgleich und Entgeltfortzahlung
Rz. 120
§ 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG verweist auf die Absätze 2 und 3. Damit besteht ein Anspruch auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Abgeltung für die Teilnahme an den Schulungsveranstaltungen. Den an der Schulung teilnehmenden Betriebsratsmitgliedern darf das Entgelt nach § 37 Abs. 6 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BetrVG nicht gemindert werden. Auch hier gilt das Prinzip des vorrangigen Freizeitausgleichs. Ein Abgeltungsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG kommt nur sekundär in Frage, wenn die Schulungsveranstaltung aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattfa...