Dr. Nicolai Besgen, Thomas Prinz
I. Einleitung
Rz. 1
Die Nutzung des Internets und des Intranets im Allgemeinen und speziell der Empfang bzw. die Versendung von E-Mails gehören zum betrieblichen Alltag. Die digitalisierte Arbeitswelt geht aber weiter: neue Software wie Office365, Cloud-Produkte oder moderne Dienstleistungsprogramme wie ATOSS, LOGA etc. verbinden Tätigkeiten und Programme auf vielfältigste Weise. Da mit der Vernetzung der Arbeitsplätze auch zahlreiche Überwachungsmöglichkeiten und -pflichten verbunden sind, stellt sich auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene die Frage nach den Beteiligungsrechten des Betriebsrats. Ist er überhaupt zu beteiligen? Wie weit reicht die Mitbestimmung? Wo liegen die Grenzen? Klarheit in diese lediglich ausgewählten Fragen soll der folgende Abschnitt bringen.
Rz. 2
Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt wird oftmals eine Erosion des Betriebsbegriffs verbunden, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Mitwirkung des Betriebsrats. Grund ist die Auflösung tradierter und hierarchisch verfasster Leitungsstrukturen, die Bildung so genannter Matrixstrukturen, neuartige Kooperationen (z.B. sog. Scrums) und agile Arbeitsformen ebenso wie Lockerungen sozialer Verbundenheit durch individualisierte Arbeitsprozesse. Solange teleologisch vorgezeichnete Schritte zu weiteren Flexibilisierungsoptionen für die Organisation der Arbeitnehmervertretungsstrukturen ausscheiden, bleibt nur der Rückgriff auf die begrenzten Möglichkeiten des § 3 BetrVG. In Betracht kommt hier insbesondere § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, wonach andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen durch Tarifvertrag oder gemäß Abs. 2 durch Betriebsvereinbarung bestimmt werden können, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient.
II. Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Rz. 3
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
1. Begriff der technischen Einrichtung
Rz. 4
Der Begriff der technischen Einrichtung richtet sich nach dem Zweck der Mitbestimmung. Dieser liegt darin, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen, um nicht bloßes Objekt einer Überwachungstechnik zu werden. Das Bundesarbeitsgericht legt den Begriff der technischen Einrichtung weit aus. Es genügt, wenn es sich um ein optisches, mechanisches, akustisches oder elektronisches Gerät handelt, solange jedenfalls ein gewisses Maß an Vergegenständlichung vorhanden ist. Problematisch ist dies jedoch bei der Einführung von Internet und E-Mail schon deshalb, da es sich insoweit um eine Kombination aus Hardwarekomponenten (Computer, Bildschirm, Modem etc.) und die für die Nutzung erforderliche Software handelt, die ein solches Maß an Vergegenständlichung an sich nicht besitzt. Jedoch wird sie zu ihrer Nutzung auf ein vorhandenes (Hardware-)Computersystem installiert. Sie kann deshalb nur im Zusammenspiel mit diesem bestimmungsgemäß eingesetzt werden. Deshalb ist in Bezug auf die Beurteilung, ob es sich um eine technische Einrichtung handelt, auf das Gesamtsystem abzustellen, so dass es sich bei der Einführung und Anwendung der Internetnutzung insgesamt um eine technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handelt. Dazu gehören auch das Intranet und die E-Mail-Kommunikation.
Rz. 5
Neben diesen mittlerweile seit Jahrzehnten gängigen Arbeitsmitteln existieren im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung neue Arbeitsmittel (z.B. "Wearables"). Darunter werden nicht nur hochkomplexe und innovative Softwareprodukte verstanden, sondern auch alltägliche IT-Applikationen. Damit verbunden ist das Speichern von Unmengen an Daten. Der Einsatz von Analyse-Tools eröffnet zudem die Möglichkeit der Auswertung des Arbeitsverhaltens der Arbeitnehmer. Ebenso sind die mittlerweile in Betrieben immer häufiger genutzten Social-Media-Plattformen geeignet, als Überwachungstechnik eingesetzt zu werden. Hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte ist bei allen Erscheinungsformen entscheidend, inwieweit der einzelne Arbeitnehmer individualisiert werden kann. Besteht kein Personenbezug, ist keine Zustimmung des Betriebsrates erforderlich.
Rz. 6
Die Dynamisierung in den digitalisierten Arbeitsprozessen sorgt mitunter dafür, dass die ursprünglich installierte Software fortlaufend aktualisiert werden muss. Das geschieht aus vielen Gründen (z.B. Virenschutz, Verbesserung von laufenden Anwendungen oder Fehlerbehebungen). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gilt neben der ersten Einführung auch für die laufende Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen. Soweit also die eingeführte Software der Mitbestimmung unterliegt, bezieht sich di...