Dr. Nicolai Besgen, Thomas Prinz
I. Einleitung
Rz. 66
Im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten bei der Nutzung von Internet und E-Mail (vgl. § 1 Rdn 65 ff.) stellt sich regelmäßig die Frage, ob vom Arbeitgeber aufgrund einer Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers gewonnene Erkenntnisse beispielsweise in einem Kündigungsschutzprozess verwertbar sind. Hierbei kommt es zum einen maßgeblich darauf an, ob die private Nutzung von Internet- und E-Mail erlaubt oder verboten ist und zum anderen darauf, ob Beweismittel vom Arbeitgeber unter Einschaltung des Betriebsrates erlangt wurden.
II. Grundsätze der Unzulässigkeit der Beweisverwertung bei verbotener Kontrolle
Rz. 67
Verstößt der Arbeitgeber gegen die Grundsätze der zulässigen Kontrolle der Nutzung, so besteht hinsichtlich der dadurch erlangten Erkenntnisse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein prozessuales Verwertungsverbot. Diese Rechtsprechung bezieht sich einmal auf das heimliche Mithören eines vertraulichen Gesprächs, einmal auf das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dürfe das auf diese Weise erlangte Beweismittel nicht verwertet werden. Wer jemanden mithören lassen wolle, habe seinen Gesprächspartner vorher darüber zu informieren. Insoweit besteht eine Divergenz zur Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs, wonach die Vernehmung eines Zeugen, der ein geschäftliches Telefonat heimlich mitgehört hat, nicht ausgeschlossen ist, wenn nicht ausdrücklich Vertraulichkeit zugesichert wurde.
III. Beweisverwertung bei Internet- und E-Mail-Missbrauch
Rz. 68
Bei der Beurteilung, ob ein Beweisverwertungsverbot von Kenntnissen besteht, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Internet- und E-Mail-Nutzung des Arbeitnehmers erlangt hat, kommt es wieder wesentlich darauf an, ob die private Internet- und E-Mail-Nutzung erlaubt oder verboten wurde. Ist nur die dienstliche Nutzung erlaubt, so hat der Arbeitgeber ein Kontrollrecht nach Maßgabe des § 26 BDSG. Zu beachten ist § 26 BDSG, wonach personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet, oder genutzt werden dürfen, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass eine Straftat begangen wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reicht auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus. Weiterhin muss die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung zur Aufdeckung erforderlich sein und schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nicht überwiegen. Gleichzeitig ist das Prinzip möglichst sparsamer Datenerhebung zu beachten. Die in diesem Sinne erlangten Kenntnisse können verwertet werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass eine Überwachung nur dann nicht unverhältnismäßig und das Ergebnis der Überwachung verwertbar ist, wenn sie im Umfang begrenzt ist und ausschließlich die Kommunikation über einen Instant-Messenger-Dienst betrifft, dessen private Nutzung der Arbeitgeber ausdrücklich untersagt hat und der Arbeitgeber den Beschäftigten über die Möglichkeit, Art und Ausmaß von Kontrollen informiert hat. Ist auch die private Nutzung erlaubt, so verstößt eine Kontrolle, die über die Kontrolle der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten hinausgeht – beispielsweise eine inhaltliche Kontrolle von E-Mails – gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, und eine Verwertung im Prozess ist unzulässig. Auch im Falle der Erlaubnis der Privatnutzung hat der Arbeitgeber aber ein Interesse daran, strafbares Verhalten seiner Mitarbeiter durch eine Kontrolle zu vermeiden, um eine eigene Strafbarkeit auszuschließen. Der Arbeitgeber muss sich deshalb das Einverständnis seiner Mitarbeiter zur E-Mail-Kontrolle einholen. Erforderlich ist eine individuelle Einwilligungserklärung.
Rz. 69
Das Arbeitsgericht Frankfurt hat in einem Fall verbotener Privatnutzung die Verwertbarkeit der von einem Arbeitnehmer auf dem Dienst-PC gespeicherten Daten angenommen. Hinsichtlich der auf diesem Wege vom Arbeitgeber erlangten Kenntnisse bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Zwar gewährleiste das allgemeine Persönlichkeitsrecht die engere persönliche Lebenssphäre. Im Fall ausdrücklicher untersagter privater Nutzung gehörten die vom Arbeitnehmer auf dem beruflichen PC gespeicherten Daten aber nicht zu seiner Privatsphäre. Der Arbeitgeber habe in diesen Fällen unbeschränkten Zugriff auf den PC, weil er nach ausgesprochenem Verbot davon ausge...