a) Übergangsmandat

aa) "Zusammenfassung"

 

Rz. 54

Bei der Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen zu einem Betrieb entsteht nach § 21a Abs. 2 i.V.m Abs. 1 BetrVG ein Übergangsmandat. Als Kollisionsregel bestimmt sie den Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer größten Betriebs zur Wahrnehmung des Übergangsmandats.

Zusammenfassung bedeutet dabei, dass die bisher von unterschiedlichen Leitungen geführten Einheiten unter einer einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten zusammengeführt werden.[69] Eine rein räumliche Zusammenführung bei weiterbestehender getrennter Leitung ist keine Zusammenfassung i.S.d. § 21a Abs. 2 BetrVG.[70]

 

Rz. 55

Einigkeit besteht weiter darüber, dass der Begriff der Zusammenfassung i.S.d. § 21a Abs. 2 BetrVG dem der Zusammenlegung des § 21a Abs. 3 BetrVG sowie dem des Zusammenschlusses i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG, nicht aber der Zusammenfassung i.S.d. § 3 BetrVG entspricht.[71]

[69] Fitting u.a., § 21a Rn 11; GK-BetrVG/Kreutz , § 21a Rn 59; WHSS/Hohenstatt, D 62 S. 454.
[70] WHSS/Hohenstatt, D 62 S. 454.
[71] GK-BetrVG/Kreutz , § 21a Rn 58; WHSS/Hohenstatt, D 54 S. 451; Fischer, RdA 2005, 39,40; Linsenmaier, RdA 2017, 128, 133; Rieble, NZA 2002, 233, 237.

bb) Verhältnis Eingliederung (§ 21a Abs. 1) und Zusammenfassung (§ 21a Abs. 2)

 

Rz. 56

Streitig ist hingegen, ob auch eine Eingliederung i.S.d. § 21a Abs. 1 BetrVG eine Form der Zusammenfassung i.S.d. § 21a Abs. 2 BetrVG ist. Dem Wortlaut nach ist dies der Fall. Auch bei einer Eingliederung werden mehrere betriebliche Einheiten zu einem einheitlichen Betrieb zusammengeführt.

Im Ausgangspunkt dieses Streits steht die einhellige Auffassung, dass nicht jede Zusammenführung von betrieblichen Einheiten zu einem einheitlichen Betrieb dazu führen kann, dass alle beteiligten Betriebsräte ihr Regelmandat verlieren und "nur" noch das Übergangsmandat innehaben. Vielmehr gibt es auch Fallkonstellationen, in denen für einen beteiligten Betriebsrat der Erhalt des Regelmandats gerechtfertigt ist und deshalb kein Raum ist für das Entstehen eines Übergangsmandats.[72] In diesem Fall wird der hinzukommende Teil durch den Betriebsrat mitrepräsentiert, der sein Regelmandat behält.

In § 21a Abs. 1 S. 1 letzter HS BetrVG ist ausdrücklich geregelt, dass die "Eingliederung" in einen Betrieb mit Betriebsrat das Entstehen eines Übergangsmandats ausschließt. In § 21 Abs. 2 BetrVG ist das nicht ausdrücklich geregelt.

 

Rz. 57

Aus diesem Grund vertritt u.a. Kreutz die Auffassung, dass die zu einem Übergangsmandat führende "Zusammenfassung" in § 21a Abs. 2 BetrVG von der das Entstehen eines Übergangsmandats ausschließenden "Eingliederung" in § 21a Abs. 1 S. 1 letzter HS BetrVG abgegrenzt werden müsse.[73] Dies soll durch teleologische Reduktion des § 21a Abs. 2 BetrVG erfolgen: Das Tatbestandsmerkmal "Zusammenfassung von Betrieben" i.S.d. § 21a Abs. 2 BetrVG sei nicht erfüllt, wenn es sich um einen Eingliederungsfall i.S.d. § 21a Abs. 1 BetrVG handele. Mit anderen Worten: Liegt eine Eingliederung vor, ist § 21a Abs. 2 BetrVG unanwendbar. Die Zusammenfassung setzt nach dieser Auffassung demgegenüber das Entstehen eines neuen Betriebs voraus.

 

Rz. 58

Dem wird zu Recht der Wortlaut des § 21a Abs. 2 BetrVG entgegengehalten. Es wird gerade nicht die Entstehung eines neuen Betriebs verlangt, sondern die Zusammenfassung zu einem Betrieb, die gleichermaßen in der Zuordnung eines Betriebs zu einem bereits bestehenden Leitungsapparat bestehen kann (Fall der Eingliederung).[74] Nach zutreffender Meinung ist die Eingliederung daher ein Unterfall der Zusammenfassung. Das bedeutet zunächst einmal, dass bei jeder Form der Zusammenfassung, also auch bei der Eingliederung, ein Übergangsmandat entsteht. Allerdings verweise § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG für den Fall der Zusammenfassung auf § 21a Abs. 1 BetrVG und damit auch auf § 21a Abs. 1 Satz 1 letzter HS BetrVG. Daraus folge, dass bei einer Zusammenfassung in Gestalt einer Eingliederung in einen Betrieb mit Betriebsrat kein Übergangsmandat ent­stehe.

Dieser dogmatische Streit über das Verhältnis zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 21a BetrVG führt allerdings nur in einer Fallkonstellation zu unterschiedlichen Ergebnissen: Bei einer Eingliederung in einen Betrieb ohne Betriebsrat. Nach zutreffender Meinung entsteht in diesem Fall ein Übergangsmandat für den Betriebsrat des eingegliederten Betriebs: Auch die Eingliederung stellt eine Zusammenfassung dar, so dass ein Übergangsmandat entsteht, das nicht nach § 21a Abs. 1 S. 1 letzter HS BetrVG entfällt, da keine Eingliederung in einen Betrieb mit Betriebsrat vorliegt. Kreutz u.a. kommen hingegen zu dem Ergebnis, dass kein Übergangsmandat für den Betriebsrat des eingegliederten Betriebs entsteht, da eine Eingliederung keine Zusammenfassung ist, so dass § 21a Abs. 2 BetrVG nicht anwendbar ist, und § 21a Abs. 1 BetrVG für die Entstehung eines Übergangsmandats eine vorangegangene Spaltung voraussetzt.

In allen anderen Fällen kommen beide Ansichten zu demselben Ergebnis.

[72] BAG v. 21.1.2003 – 1 ABR 9/02 Rn 35; Fitting u.a., § 21a Rn 12; DKKW/Buschmann...

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