Antje Dudenbostel, Saskia M. Schmid
Rz. 345
§ 613a Abs. 1 S. 2 letzter Hs. BGB regelt, dass transformierte Betriebsvereinbarungen nicht vor Ablauf eines Jahres ab dem Betriebsübergang zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geändert werden dürfen.
Rz. 346
Diese einjährige Veränderungssperre (besser: Verschlechterungssperre) verbietet nach der h.M. allerdings nur eine individualrechtliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, nicht eine Verschlechterung durch eine kollektivrechtliche Regelung. Unzulässig ist nicht nur die einseitige Verschlechterung durch den Arbeitgeber durch Aussprache einer Änderungskündigung, sondern auch der verschlechternde Änderungsvertrag. Eine individualrechtliche Veränderung zum Vorteil der Beschäftigten ist hingegen jederzeit, auch innerhalb der Jahresfrist zulässig.
Rz. 347
Die Verschlechterungssperre gilt nicht für freiwillige Betriebsvereinbarungen, also solche, die nicht Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung regeln, sowie für Betriebsvereinbarungen, die sich bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nur noch in der Nachwirkung gem. § 77 Abs. 6 BetrVG befanden. Das folgt aus dem Grundsatz, dass § 613a BGB transformierte Betriebsvereinbarungen inhaltlich nicht weiter schützt, als sie es bei einem Fortbestand beim Veräußerer gewesen wären.
Rz. 348
Die Verschlechterungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB endet gem. § 613a Abs. 1 S. 4 BGB vorzeitig, wenn die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt. Das ist der Fall, wenn die Betriebsvereinbarung eine feste Geltungsdauer hatte (also befristet war) und diese innerhalb der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB abläuft und wenn die Betriebsvereinbarung bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs gekündigt war und die Kündigungsfrist innerhalb der Jahresfrist abläuft. Regelt eine solche Betriebsvereinbarung Gegenstände zwingender Mitbestimmung (und ist die Nachwirkung nicht ausnahmsweise in der Betriebsvereinbarung ausgeschlossen), führt das Auslaufen der Betriebsvereinbarung innerhalb der Jahresfrist zur Beendigung der Verschlechterungssperre, bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen, die nicht nachwirken, führt das Auslaufen der Betriebsvereinbarung zur sofortigen Beendigung der Transformation.
Rz. 349
Schließlich endet die Verschlechterungssperre gem. § 613a Abs. 1 S. 4 BGB vorzeitig, wenn der Erwerber mit übernommenen Beschäftigten die Anwendung eines anderen Tarifvertrags vereinbart, in dessen Geltungsbereich sie fallen, an den sie aber mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht bereits nach § 4 Abs. 1 TVG gebunden sind. Auch dies gilt allerdings nur, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag denselben Regelungsgegenstand betrifft wie die transformierte Betriebsvereinbarung.
Rz. 350
Die Vereinbarung muss sich dabei auf die Anwendung des gesamten einschlägigen Tarifvertrags beziehen, nicht nur einzelner Teile eines Tarifvertrags.
Rz. 351
Nach dem Ende der Verschlechterungssperre sind auch individualrechtliche Verschlechterungen dem Grundsatz nach zulässig. Stimmen die Beschäftigten einer einvernehmlichen Verschlechterung jedoch nicht zu, ist eine etwaige Änderungskündigung an den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Insbesondere rechtfertigt allein der Wunsch des Arbeitgebers nach Anpassung der Arbeitsbedingungen der übergegangenen Beschäftigten "nach unten" aus Gründen der "Gleichbehandlung" keine betriebsbedingte Änderungskündigung.