a) Kein Bestandsschutz
Rz. 101
Die neuen Regeln gelten einheitlich für alle unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften). Es macht rechtlich keinen Unterschied, ob die Gesellschaften vor oder nach dem 1.1.2021 gegründet worden sind. Für bestehende Gesellschaften gibt es keinen Bestands- oder Vertrauensschutz. Es ist weder europarechtlich noch verfassungsrechtlich geboten, unechte Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) auch nach dem 1.1.2021 weiterhin als Kapitalgesellschaften anzuerkennen.
b) Kein Statutenwechsel
Rz. 102
Bei den unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) ist es zum 1.1.2021 zu einer Statutenverdopplung gekommen, nicht dagegen zu einem Statutenwechsel.
Aus englischer Sicht handelt es sich bei der private limited company unverändert um eine englische Kapitalgesellschaft mit Haftungsbeschränkung. Lediglich aus deutscher Sicht wird die englische private limited company seit dem 1.1.2021 als Personengesellschaft (bzw. Einzelunternehmen) behandelt, bei der die Gesellschafter (bzw. der Inhaber) persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.
Rz. 103
Das maßgebliche Gesellschaftsstatut ist aus englischer Sicht englisches Gesellschaftsrecht und aus deutscher Sicht deutsches Gesellschaftsrecht. Die rechtliche Doppelnatur führt zu zahlreichen Konflikten und Problemen.
c) Kein Rechtsformwechsel
Rz. 104
Bei den unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) ist es zum 1.1.2021 nicht zu einem Rechtsformwechsel gekommen.
Aus der Sicht des englischen Rechts handelt es sich bei der private limited company unverändert um eine englische Kapitalgesellschaft. Eine Änderung der Rechtsform ist nicht erfolgt. Aus der Sicht des deutschen Rechts gilt für die unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) seit dem 1.1.2021 nicht mehr die Gründungstheorie, sondern wieder die Sitztheorie. Eine solche englische private limited company ist demnach nicht mehr als Kapitalgesellschaft zu behandeln, da die deutschen Vorschriften für die Gründung von Kapitalgesellschaften nicht eingehalten worden sind. Die englische private limited company wird demnach in Deutschland nicht als Kapitalgesellschaft (mit Haftungsbeschränkung), sondern als Personengesellschaft (ohne Haftungsbeschränkung) qualifiziert.
Rz. 105
Bei einer Mehrpersonen-Limited ist insoweit von einer offenen Handelsgesellschaft (bei einer kaufmännischen Tätigkeit) bzw. einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (bei einer nicht kaufmännischen Tätigkeit) auszugehen. Bei einer Einpersonen-Limited liegt aus deutscher Sicht ein eingetragener Kaufmann (bei einem Handelsgewerbe) bzw. ein sonstiges Einzelunternehmen (bei nicht kaufmännischer Tätigkeit) vor.
Rz. 106
Diese Umqualifizierung ist aber allein eine andere rechtliche Beurteilung der englischen private limited company. Die englische private limited company hat ihre Rechtsform selbst nicht geändert, und zwar weder durch Beschluss noch durch Umwandlung.
Rz. 107
Die Gesellschaft führt somit auch insoweit ein "Doppelleben": Einerseits handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts und andererseits um eine Personengesellschaft deutschen Rechts (bzw. ein Einzelunternehmen deutschen Rechts).
Ein Rechtsformwechsel der (englischen) Kapitalgesellschaft in eine (deutsche) Personengesellschaft ist nicht erfolgt. Ein solcher Rechtsformwechsel ist weder von den Gesellschaftern beschlossen worden noch vom Gesetzgeber angeordnet worden. Für einen solchen Rechtsformwechsel gäbe es auch keine Rechtsgrundlage.
Rz. 108
Die Vorschriften des deutschen Umwandlungsgesetzes zum Formwechsel (siehe §§ 190 ff. UmwG) können insoweit nicht angewendet werden (jedenfalls nicht unmittelbar). Die Regelungen zum Formwechsel gelten nur für "Rechtsträger mit Sitz im Inland" (§ 1 Abs. 1 UmwG) und nicht auch für englische private limited companies mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich. Eine erweiternde Auslegung aufgrund der europäischen Niederlassungsfreiheit ist nicht möglich, da das Vereinigte Königreich seit dem 1.1.2021 ein Drittstaat ist.
Rz. 109
Die bloße Umqualifizierung der englischen Kapitalgesellschaft kann daher auch nicht als ein Formwechsel außerhalb des Umwandlungsgesetzes angesehen werden. Eine solche Änderung der Rechtsform ist in keinem anderen Gesetz vorgesehen oder zugelassen (siehe § 190 Abs. 2 UmwG). Die englische Kapitalgesellschaft bleibt zudem im Vereinigten Königreich unverändert bestehen und besteht nicht etwa in der Rechtsform einer deutschen Personengesellschaft fort.
Rz. 110
Im Übrigen enthält das deutsche Umwandungsgesetz ein ausdrückliches Analogieverbot (§ 1 Abs. 2 UmwG). Eine Umwandlung in anderen Fällen ist danach nur dann zulässig, wenn sie in einem Gesetz "ausdrücklich vorgesehen" ist. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr fehlt es an entsprechenden gesetzl...