a) Haftung der Gesellschafter
Rz. 125
Bei der unechten Auslandsgesellschaft (Scheinauslandsgesellschaft) haften seit dem 1.2.2021 alle Gesellschafter persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 128 ff. HGB). Die Haftung ist zwingend. Eine Beschränkung der Haftung ist nicht möglich (auch nicht analog § 139 HGB).
Rz. 126
Die Haftung trifft alle Gesellschafter. Auf Art, Umfang und Höhe der Beteiligung kommt es somit nicht an. Damit haften auch Minderheitsgesellschafter unbeschränkt, die auf die Geschäftsführung der Gesellschaft keinen Einfluss haben.
Rz. 127
Die persönliche Haftung gilt für alle Neuverbindlichkeiten. Als Neuverbindlichkeiten in diesem Sinne sind Verbindlichkeiten anzusehen, die nach dem Wirksamwerden des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union entstanden sind.
Rz. 128
Nicht ganz so eindeutig ist dagegen, ob die Gesellschafter auch für etwaige Altverbindlichkeiten persönlich haften.
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Gegen eine Haftung auch für Altverbindlichkeiten könnte sprechen, dass die Gläubiger (von vertraglichen Ansprüchen) nicht von einer persönlichen Haftung der Gesellschafter ausgehen konnten, da sie ausschließlich mit einer Kapitalgesellschaft kontrahiert haben. Die Gläubiger würden somit unverdient einen persönlichen Schuldner hinzugewinnen. |
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Für eine Haftung auch für Altverbindlichkeiten spricht allerdings der Vergleich mit einem Gesellschafter, der einer deutschen Personengesellschaft beitritt. Der neu in eine Personengesellschaft eintretende Gesellschafter haftet für Altverbindlichkeiten, die bereits vor seinem Beitritt bestanden, persönlich und unbeschränkt (siehe § 130 HGB sowie ferner § 173 HGB und § 8 PartGG). In gleicher Weise müssen die Gesellschafter einer englischen Kapitalgesellschaft, die mit dem Wirksamwerden des Austritts erstmals zu persönlich haftenden Gesellschaftern werden, für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft haften. |
Rz. 129
Die Haftung ist auch nicht unbillig, weil die Gesellschafter mehrere Jahre Zeit hatten, eine persönliche Haftung durch einen Austritt aus der Gesellschaft, einen Rechtsformwechsel oder eine Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden. Zudem haben sich die Gesellschafter bei der Gründung bewusst für eine englische Kapitalgesellschaft entschieden. Die Vorteile dieser Rechtsformwahl haben die Gesellschafter zu Recht für sich genutzt. Umgekehrt haben Sie jetzt auch die Nachteile dieser Rechtsformwahl zu tragen. Eine Korrektur durch den Gesetzgeber oder die Gerichte erscheint nicht geboten.
Rz. 130
Die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung im Handelsregister ändert an der persönlichen Haftung der Gesellschafter nichts.
Das Auftreten als ausländische Kapitalgesellschaft mit einem die Haftungsbeschränkung andeutenden Rechtsformzusatz (Limited) lässt die persönliche Haftung gleichfalls nicht entfallen.
b) Vertretung der Gesellschaft
Rz. 131
Bei der unechten Auslandsgesellschaft (Scheinauslandsgesellschaft) hat die Umqualifizierung auch Folgen für die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft.
Rz. 132
Eine englische private limited company wird grundsätzlich durch die directors vertreten. Fremdorganschaft ist dabei zulässig. Mehrere directors sind grundsätzlich gemeinsam zur Vertretung berechtigt, sofern die Gesellschafter nichts anderes regeln. Die Möglichkeit einer generellen Erlaubnis von Insichgeschäften (§ 181 BGB) ist gesetzlich nicht vorgesehen. Bei einer deutschen offenen Handelsgesellschaft ist dagegen jeder Gesellschafter grundsätzlich einzeln zur Vertretung berechtigt (§§ 115, 125 HGB, anders aber bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 709, 714 BGB). Eine organschaftliche Vertretung durch Nicht-Gesellschafter ist bei deutschen Personengesellschaften unzulässig. Es gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft.
Rz. 133
Die unterschiedlichen Regeln zur Vertretung im deutschen und englischen Gesellschaftsrecht lassen sich noch einigermaßen miteinander in Einklang bringen, wenn bei der englischen Limited ein Gesellschafter zum director bestellt ist. Die Vertretungsbefugnis für die englische private limited company wird dann im Zweifel auch für die deutsche Personengesellschaft gelten. Die rechtliche Begründung ist aber selbst in diesem Fall alles andere als einfach und weitgehend ungeklärt. In Betracht kommt u.a. die Auslegung des englischen Gesellschafterbeschlusses über die Bestellung zum director, die Erteilung einer konkludenten, rechtsgeschäftlichen Vollmacht, die Anwendung der Grundsätze der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht oder der Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der Vertretungsmacht (siehe Art. 12 EGBGB, § 15 HGB).
Rz. 134
Erheblich schwieriger ist die Rechtslage dann, wenn die Gesellschaft von mehreren Personen vertreten wird. Dann stellt sich insbesondere die Frage, ob eine etwaige Einzelvertretungsbefugnis bei der englischen private l...