a) Ausgangssituation
Rz. 163
Bei den unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) handelt es sich um englische private limited companies mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich und Verwaltungssitz in Deutschland, die in aller Regel ausschließlich in Deutschland (und nicht auch im Vereinigten Königreich) tätig sind. Die Rechtslage für die unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) hat sich mit Wirkung zum 1.1.2021 grundlegend geändert. Die europäische Niederlassungsfreiheit gilt nicht mehr und das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich gilt nur für echte Auslandgesellschaften (siehe Rdn 66 ff.).
Rz. 164
Die unechten Auslandsgesellschaften (Scheinauslandsgesellschaften) werden damit aus deutscher Sicht seit dem 1.1.2021 nicht mehr als Kapitalgesellschaften anerkannt. Vielmehr werden diese aus deutscher Sicht als Personengesellschaft (bzw. Einzelunternehmen) qualifiziert.
b) Handelsregister
aa) Ausgangssituation
Rz. 165
In deutschen Handelsregistern sollen derzeit immer noch rund 10.000 Zweigniederlassungen von englischen private limited companies eingetragen sein. Diese Eintragungen waren ursprünglich richtig. Seit dem 1.1.2021 sind diese Eintragungen aber unrichtig.
Rz. 166
Eingetragen ist in aller Regel die inländische Zweigniederlassung einer englischen private limited company (§§ 13d ff. HGB). Tatsächlich besteht aus deutscher Sicht aber seit dem 1.1.2021 keine englische private limited company mehr. Vielmehr handelt es sich bei der ausländischen Gesellschaft um eine Personengesellschaft (bzw. ein Einzelunternehmen).
Rz. 167
Das deutsche Handelsregister ist damit seit dem 1.1.2021 unrichtig geworden. Eingetragen ist die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft, tatsächlich handelt es sich aber um eine inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Personengesellschaft (bzw. eines Einzelunternehmens) aus einem Drittstaat.
Rz. 168
Der gute Glaube an die Richtigkeit der unrichtigen Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung wird in Deutschland geschützt (§ 15 Abs. 4 HGB). Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die unrichtige Eintragung im deutschen Handelsregister berichtigt werden muss bzw. kann.
bb) Eintragungspflicht
(1) Rechtsgrundlage
Rz. 169
Das Handelsregisterrecht der inländischen Zweigniederlassung von ausländischen Gesellschaften ist im Gesetz detailliert und umfassend geregelt (§§ 13d ff. HGB). Anzumelden und einzutragen sind nicht nur die erstmalige Errichtung der Zweigniederlassung, sondern auch spätere Änderungen sowie Aufhebungen.
Rz. 170
Für den vorliegenden Fall der geänderten Rechtslage bei englischen private limited companies ist eine ausdrückliche Verpflichtung zur Vornahme einer entsprechenden Handelsregisteranmeldung nicht ersichtlich. Eine Verpflichtung zur Anmeldung könnte sich allenfalls mittelbar aus den gesetzlichen Regelungen ergeben.
(2) Zweigniederlassungen von ausländischen GmbH
Rz. 171
§ 13g HGB regelt die inländischen Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland. Bis zum 31.12.2020 war die englische private limited company aus Sicht des deutschen Rechts eine solche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Seit dem 1.1.2021 ist sie rechtlich aber als Personengesellschaft mit unbeschränkter Haftung zu behandeln.
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§ 13g Abs. 4 HGB: Die rechtliche Umqualifizierung aus Sicht des deutschen Rechts ist keine "Änderung des Gesellschaftsvertrages der ausländischen Gesellschaft" (i.S.v. § 13g Abs. 4 HGB). Der Gesellschaftsvertrag der englischen private limited company besteht vielmehr unverändert fort und wurde auch nicht geändert. |
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§ 13g Abs. 5 HGB: Die englische private limited company wurde auch nicht etwa aufgelöst oder liquidiert (i.S.v. § 13g Abs. 5 HGB). Die englische private limited company besteht als werbende Gesellschaft fort. |
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§ 13g Abs. 7 HGB: Die inländische Zweigniederlassung wurde auch nicht etwa aufgehoben (i.S.v. § 13g Abs. 7 HGB). Eine "Aufhebung" der Zweigniederlassung wurde weder beschlossen noch ist diese tatsächlich erfolgt. Die Zweigniederlassung besteht unverändert weiter. Lediglich die rechtliche Qualifizierung der Rechtsform der ausländischen Gesellschaft hat sich geändert. |
Rz. 172
Manche Registergerichte verlangen seit dem 1.1.2021, dass die Aufhebung der Zweigniederlassung angemeldet wird (siehe § 14 HGB). Eine Rechtsgrundlage dafür besteht aber nicht. Die Aufhebung der Zweigniederlassung muss zum Handelsregister angemeldet werden, wenn diese tatsächlich erfolgt ist. Das Registergericht kann aber die Aufhebung der Zweigniederlassung nicht erzwingen oder fingieren.
(3) Zweigniederlassungen von ausländischen Kapitalgesellschaften
Rz. 173
§ 13e HGB enthält neben den besonderen Vorschriften für Zweigniederlassungen von ausländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 13g HGB) und Aktiengesellschaften (§ 13f HGB) allgemeine Vorschriften für Zweigniederlassungen von ausländ...